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Archiv-Artikel

Die Opposition ist entsetzt

SYRIEN Abgeschwächte UNO-Resolution scheitert am Veto Russlands und Chinas. Türkei droht mit Sanktionen. Moskau kündigt erstmals Gespräche mit Regimegegnern an

„Dies ist ein politischer Fehler von historischem Ausmaß“

BASMA KADMANI, SPRECHERIN DES NATIONALRATS

ISTANBUL/NEW YORK/MOSKAU dpa/dapd | Die syrische Opposition hat entsetzt auf das Scheitern der Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat reagiert. „Dies ist ein großer strategischer Fehler, ein politischer Fehler von historischem Ausmaß“, sagte Basma Kadmani, die Sprecherin der Nationalrats, am Mittwoch in einem Telefoninterview. „Diese Botschaft der internationalen Gemeinschaft könnte dazu führen, dass das syrische Volk die Hoffnung verliert, und das macht uns sehr besorgt“, fügte sie hinzu.

Der Nationalrat war am vergangenen Wochenende in der Türkei gegründet worden. Die 140-köpfige Allianz von Oppositionellen und Protestgruppen hat sich den Sturz des Regimes von Präsident Baschar al-Assad zum Ziel gesetzt. Basma Kadmani lebt in Frankreich im Exil.

Der in Dubai ansässige Direktor der Menschenrechtsorganisation in Syrien (Maf), Ibrahim Jussif, sagte, das Scheitern des Resolutionsentwurfes sei „eine Lizenz für das Regime, weiter zu töten“. Ein Sprecher der Jugendprotestbewegung in Damaskus erklärte: „Russland hat mit seiner Unterstützung für Gaddafi Libyen verloren und das Gleiche wird sich für Russland jetzt in Syrien wiederholen.“

Die UN-Resolution war am Veto Russlands und Chinas gescheitert. Der Text des Entwurfs drohte dem syrischen Regime mit Sanktionen, sollte die Gewalt gegen Zivilisten nicht eingestellt werden. Die europäischen Mitglieder des Sicherheitsrats hatten die Formulierung der Resolution zuvor dreimal entschärft, um ein Veto zu verhindern. Die Türkei kündigte eigene Sanktionen gegen Syrien an.

Moskau widersetzt sich seit Monaten einer scharfen Resolution gegen Syrien. Russland unterhält einen Militärstützpunkt in Syrien, zudem ist Russland – ebenso wie China – Waffenlieferant. Darüber hinaus wollen beide Länder offenbar Parallelen zum Fall Libyen ausschließen. Der Sicherheitsrat hatte am 17. März mit einer Resolution den Weg zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung freigemacht. Libyschen Aufständischen gelang es später mit Hilfe der Nato, das Gaddafi-Regime zu stürzen. Nach internationaler Kritik wegen seines Vetos will Russland nun erstmals mit syrischen Oppositionellen sprechen. Noch im Oktober erwarte Moskau zwei syrische Oppositionsdelegationen zu offiziellen Gesprächen, sagte Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch am Mittwoch nach Angaben der Agentur Interfax. Bei früheren Besuchen von syrischen Oppositionellen hatte das Außenministerium noch offizielle Kontakte abgelehnt.

Zwar werden auch diesmal die syrischen Oppositionellen nicht von der russischen Regierung eingeladen, sondern von gesellschaftlichen Organisationen. „Trotzdem werden sie vom Außenministerium empfangen“, sagte Lukaschewitsch. Dabei handele es sich zum einen um Vertreter des unlängst in der Türkei gegründeten Nationalrats und zum anderen um Repräsentanten einer Oppositionsbewegung aus Damaskus.

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