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Archiv-Artikel

Tanzendes Kanonenfutter

EISTANZ Die Deutschen Nelli Zhiganshina und Alexander Gazsi fühlen sich regelmäßig von den Preisrichtern benachteiligt. Wie wird das jetzt bei der EM in Schweden sein?

BERLIN/OBERSTDORF taz | Die nacholympische Saison ist keine gute für die Deutsche Eislauf-Union. Die fünffachen Welt- und Europameister im Paarlaufen, Aljona Savchenko und Robin Szolkowy, fehlen. Szolkowy hat seine Leistungssportkarriere beendet und seine Expartnerin Savchenko ist mit dem Franzosen Bruno Massot eine neue Eispartnerschaft eingegangen. Doch in dieser Saison sind die Hoffnungsträger wegen des Nationenwechsels des Franzosen international gesperrt. Und: Drei weitere Paare, die Oberstdorfer Maylin Wende/Daniel Wende, Annabelle Prölß/Ruben Blommaert und Tanja Kolbe/Stefano Caruso aus Berlin, laufen nicht mehr gemeinsam übers Eis – ein Aderlass für den deutschen Eiskunstlauf. In den Einzeldisziplinen treten die erfahrenen Nathalie Weinzierl aus Mannheim sowie Peter Liebers aus Berlin zwar zur EM in Stockholm an. Bleiben Nelli Zhiganshina und Alexander Gazsi.

Die Wahl-Oberstdorfer haben gute Ideen und den Mut zu unkonventionellen und zuweilen schrägen Darbietungen. Im Kurztanz geht es in diesem Jahr um einen Macho, der eine Waschfrau bei der Arbeit stört und ihre Nerven auf eine harte Probe stellt. Das Kürprogramm zeigt eine höchst ungewöhnliche Interpretation von Schwanensee. Als Choreograf stand den EM-Siebenten des Vorjahres die Schweizer Eislauflegende Stéphane Lambiel zur Seite.

Doch wie Lambiel haben auch Zhiganshina/Gazsi und ihr Trainer Martin Skotnicky ein Problem: Ihre Programme sind Publikumsmagneten. Sie werden gern für Shows gebucht. Sie bringen Eishallen zum Lachen und zur Begeisterung. Doch die Preisrichter mögen die Programme nicht. Im letzten Jahr hatte sich Alexander Gazsi zuversichtlich gezeigt, dass das anders wird. „Langsam gewöhnen sich die Preisrichter an unsere Programme und unsere Slapstickeinlagen“, sagte er der taz. Dabei scheint, zumindest aus der Sicht der Athleten, die Ablehnung der Preisrichter nicht ganz einhellig zu sein. Vor einem Jahr wollte Gazsi keine Prognose für die EM in Budapest abgeben. „Zu Olympia wollen wir in die Top Ten laufen. Aber für die EM nehmen wir uns nichts vor. Da haben wir keinen deutschen Preisrichter dabei.“ Das sei ein Problem.

Die Resultate der letzten Saison scheinen ihm recht zu geben: Bei der EM – ohne deutsche Preisrichter – kamen sie auf den 7. Platz mit 137 Punkten. Bei Olympia erliefen sie trotz eines Fehlers 150 Punkte und wurden fünftbeste Europäer. Dort saß ein deutscher Preisrichter hinter der Bande. In diesem Jahr lehnt Gazsi, der sonst für offene Worte bekannt ist, ein Gespräch mit der taz ab. Er habe sich zu dem Preisrichterproblem schon genug den Mund verbrannt, lässt er durchblicken. Nach dem Grand Prix in Kanada im Herbst, wo er mit seiner Partnerin nur Vierter wurde, hatte er der Nachrichtenagentur dpa gesagt: „Das war unser bisher bester Kurztanz der Saison. Wir waren alle glücklich – bis die Punkte kamen. Jedes Jahr werden wir nach Nordamerika eingeladen und jedes Jahr abgeschossen. Wir sind wieder Kanonenfutter. Das ist frustrierend.“

Sollte allerdings Gazsis Theorie mit der Nationalität der Preisrichter stimmen, sieht es für ihn und seine Partnerin in Stockholm nicht schlecht aus: Die Deutsche Eislauf-Union hatte Losglück und konnte für jeden Wettbewerb eine Preisrichterin nominieren. Für das Eistanzen stellt sie sogar den Schiedsrichter. MARINA MAI