: Hamburg wächst zu
NABU kritisiert den hohen Flächenverbrauch, der unter dem CDU-Senat explodiert sei. Entwicklung bedrohe die Artenvielfalt, den Wasserhaushalt und die Fähigkeit des Bodens, Kohlendioxid zu binden
VON GERNOT KNÖDLER
Der Flächenverbrauch in Hamburg ist unter der CDU-Regierung regelrecht explodiert. Darauf hat der Naturschutzbund NABU jetzt unter Verweis auf den „Monitor Wachsende Stadt“ aufmerksam gemacht. Nach dem Monitor 2007, den Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) dieser Tage vorstellte, sind in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich 347 Hektar zugebaut worden – eine Fläche mehr als doppelt so groß wie das gesamte Plangebiet der Hafencity. „Die Zahlen verdeutlichen, dass der Senat einen verschwenderischen Umgang mit der Ressource Fläche pflegt“, kritisiert NABU-Geschäftsführer Stephan Zirpel.
Die Flächenversiegelung ist nach Ansicht der Umweltschützer eine der Ursachen für den starken Bestandsrückgang von Tier- und Pflanzenarten. Dadurch, dass in den Vier- und Marschlanden so viel gebaut werde, findet demnach etwa der Weißstorch immer weniger feuchte Wiesen, auf denen er sich Frösche schnappen kann. Dazu komme, dass versiegelter Boden kein Wasser aufnehmen könne und damit weniger Grundwasser gebildet werde. Laut NABU stehen immer weniger Grundstücke zur Verfügung, auf denen sich das Hochwasser verlaufen kann. Der Boden könne immer weniger von dem Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) binden. „Die derzeitige Bauwut“, sagt Zippel, „verträgt sich nicht mit dem im Leitbild Wachsende Stadt vorgesehenen Ziel der Sicherung der Lebensqualität und des Klimaschutzes.“
In der Tat liegt der aktuelle Flächenverbrauch weit über den 66 Hektar pro Jahr, die die damals grün geführte Umweltbehörde in ihrem „Kursbuch Umwelt“ 2001 für nachhaltig erklärte. Mit diesem Wert hätte die Reserve im damaligen Flächennutzungsplan bis zum Jahr 2050 gereicht. 2001, im letzten Regierungsjahr von Rot-Grün, wuchs die Siedlungs- und Verkehrsfläche um 41 Hektar – ein Minimalwert. Durchschnittlich hatte der Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche in den 90er Jahren 140 Hektar betragen – allerdings bei einer Bevölkerung, die infolge der Wiedervereinigung zunahm.
Der Senat weist im Monitor darauf hin, dass ein Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsfläche nicht zwangsläufig eine Flächenversiegelung bedeute. Denn rechnerisch zählten auch Gärten, Parks und Golfplätze dazu. Zieht man sie ab, ändert sich am grundsätzlichen Befund jedoch nichts. Der NABU forderte den Senat deshalb auf, verstärkt Flächen zu recyceln und bebaute Grundstücke intensiver zu nutzen. Nicht mehr benötigte Industriebrachen und Hafenflächen müssten verstärkt für neue Nutzungen zur Verfügung gestellt werden, verlangt Zirpel.
Beim Senat rennt er damit offene Türen ein. Doch mit Umsetzung tut man sich im Rathaus schwer: Großzügig gerechnet, wurden 2002 bis 2006 durchschnittlich 59 Hektar wiederverwertet – fast sechsmal so viel Fläche wurde neu besiedelt.