: Eleganz und Technik statt Bodycheck
Auch im Eishockey wollen Frauen hoch hinaus. Mit René Bielke, dem ehemaligen Torhüter der Eisbären, hat der OSC-Berlin einen erfahrenen Trainer gewonnen. Doch auch der weiß, dass der Weg an die Spitze nicht immer einfach ist
Aller Anfang ist schwer. Das dachten sich wohl auch die Eishockey spielenden Frauen des OSC Berlin nach ihrem Saisonauftakt am Samstagabend im Erika-Heß-Stadion. Trotz drückender Überlegenheit und zahllosen Chancen kam der amtierende deutsche Meister im Bundesligaspiel gegen den ERSC Ottobrunn nur zu einem knappen 4:3 (2:2, 1:0, 1:1)-Erfolg.
„Solche Spiele werden uns in dieser Saison noch öfter begegnen“, prophezeit Trainer René Bielke eine schwierige Saison. Der Kader sei sehr dünn besetzt. „Andere haben da ein viel größeres Reservoir“, sagt er mit Blick auf die Titelkonkurrenz. Der ehemalige Torhüter der Eisbären weiß, wovon er redet. In 125 Länderspielen für die DDR und zwölf für das vereinte Deutschland konnte der 45-Jährige genug Erfahrungen sammeln. Noch heute wird er bei den Fans der Eisbären „der Hexer“ genannt. Deshalb wurde sein Wechsel in der letzten Saison ins Lager der Frauen belächelt. „Die Frauen sind im Eishockey natürlich eine Randerscheinung“, sagt er.
Aber mit der zunehmenden Anerkennung in der großen Eishockeydomäne der Männer weiß auch er die Qualitäten der „Eisladys“ zu schätzen. „Schlittschuhtechnisch sind vor allem die Nationalspielerinnen den Männern ebenbürtig“, sagt er. Von denen hat der OSC derzeit immerhin fünf im Kader. „Sie sehen sogar noch etwas eleganter aus“, ergänzt er mit einem Lächeln im Gesicht. Da harter Körpereinsatz und Bodychecks international bei den Frauen verboten sind, ist es ein ganz anderes Spiel. „Unser Spiel ist technisch anspruchsvoller“, sagt Kapitänin und Nationalspielerin Claudia Grundmann. „International sind wir anerkannt.“ Immerhin belegen die deutschen Damen in der Weltrangliste derzeit den fünften Platz.
Doch im Verein muss René Bielke in seinem zweiten Jahr als Trainer der Frauenmannschaft mittlerweile allerlei Probleme bewältigen – auch fernab des Eises. Seine Spielerinnen sind alle Amateure und bekommen kein Gehalt vom Verein. Sie müssen Sport und Beruf oder Studium unter einen Hut bekommen. Das ist schon schwierig genug.
Hinzu kommen noch private Veränderungen. Vor dem Spiel gegen Ottobrunn offenbarte eine weitere Spielerin ihren Kolleginnen, dass sie schwanger sei. Für Bielke ein weiterer Verlust. Schon nach der letzten Saison musste er den Weggang von Nationalspielerin Nikola Holmes, die aus beruflichen Gründen in die USA ging, verkraften. „Das ist nicht nur sportlich, sondern auch menschlich ein großer Verlust“, trauert Bielke seiner Angreiferin hinterher.
Auch auf seine Torhüterin Stephanie Wartosch-Kürten muss er seit dem letzten Jahr verzichten. Das hatte aber ganz andere Gründe. Bei den Olympischen Spielen in Turin 2006 hütete sie noch den Kasten der Nationalmannschaft. Danach fiel sie in ein Loch. „Ich hatte in Deutschland alles erreicht, was es zu erreichen gab“, sagt sie rückblickend. „Der Kopf war leer.“
Deshalb beendete sie nach Turin ihre Karriere in der Nationalmannschaft, und fast hätte sie auch beim OSC aufgehört. Der Druck war im Laufe der Jahre einfach zu groß geworden. „Als Torhüterin ist die Verantwortung viel größer als im Angriff. 14 Jahre als erste Keeperin waren genug. Ich wollte nicht mehr immer der Buhmann sein und außerdem auch endlich mal Tore schießen“, sagt die 28-Jährige.
Da sie aus einer Eishockey-verrückten Familie stammt, wechselte sie kurzerhand in den Sturm. „Wir haben ihren Wunsch respektiert. Sie ist auch draußen eine absolute Stütze der Mannschaft“, lobt Bielke. Sie selbst fühlt sich befreiter und will sich vermehrt um ihren beruflichen Werdegang und die Familie kümmern. „Jetzt brauche ich nicht mehr aus der Tasche zu leben“, freut sie sich über mehr Ruhe in ihrem Leben.
René Bielke ist dennoch traurig: „Als Torhüterin ist sie ein großer Verlust. Mit ihr waren wir auf einem höheren Niveau.“ Der ehemalige Goalie weiß selbst, dass ein Spitzenkeeper ganze Spiele entscheiden kann. „Ein Torhüter in Topform kann 50 Prozent der Mannschaft ausmachen“, sagt er.
Dennoch muss er mit dem Verlust leben. Die Titelverteidigung ist das ausgegebene Ziel. Auch wenn er weiß, dass das schwierig wird. Sein Team wird älter, und die Spielerinnen müssen sich mehr als bisher um ihre beruflichen Karrieren kümmern. Der nötige Nachwuchs bleibt aber aus. „In Berlin sind die Aussichten eher düster“, sagt er. Es gibt zu wenige Eishockeyspielerinnen in der Stadt. Lediglich fünf Vereine verfügen über Mädchenmannschaften, und für den OSC gibt es keinen adäquaten Gegner in der Region.
So macht das Frauen-Eishockey trotz zweier Titel keinen Fortschritt im Kampf um Anerkennung in der Stadt. „Wir stagnieren, uns fehlt der Rückenwind“, sagt Bielke nüchtern. „In Zukunft werden wir wohl wieder kleinere Brötchen backen müssen.“ Einen Lichtblick gibt es aber dennoch. Ende November bestreitet der OSC als Gastgeber im Wellblechpalast, wo die Mannschaft auch trainiert, die Europapokalzwischenrunde.
Schon im letzten Jahr trug der OSC das kleine Turnier mit vier Mannschaften dort aus. Sportlich scheiterten die Spielerinnen zwar am HC Lugano aus der Schweiz, aber dafür gab es wirtschaftlichen Erfolg. „Wir konnten einige Sponsoren akquirieren. Jetzt haben wir immerhin schon ein Bein in der Tür“, sagt Peter Hannemann, Vorsitzender der Eishockeyabteilung des OSC Berlin. Der sportliche Erfolg der letzten Jahre lockt. „Die eine oder andere Nationalspielerin würde noch gerne zu uns kommen“, sagt er. So bleibt für René Bielke immerhin noch die Hoffnung, dass die Brötchen doch nicht so klein ausfallen werden.
NICOLAS SOWA