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ERIC BONSE ÜBER DIE REAKTION DER EU AUF DEN WAHLSIEG TSIPRAS’ IN ATHENBrüssel setzt auf Pokerface

Im Kern geht es in Brüssel darum, wer in der Eurokrise das Sagen hat

Bloß nichts anmerken lassen. Unruhe? Ach wo. Panik? Keine Spur. Fast so, als sei nichts geschehen, ging die Eurogruppe nach der Erdrutschwahl ihren Geschäften nach. Man wolle erst einmal die Regierungsbildung in Athen abwarten, hieß es.

Dabei hätte Brüssel eine gute, ja zwingende Gelegenheit zur Selbstkritik. Schließlich haben die Griechen den amtierenden konservativen Premier Antonis Samaras ja nicht zufällig aus dem Amt gejagt. Ähnlich wie der Wahlsieger Alexis Tsipras hatte auch Samaras ein Ende der EU-Hilfsprogramme und der damit verbundenen Auflagen gefordert. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und seine Eurokollegen wussten es besser – und schickten ihren Mann sehenden Auges in die Wahlniederlage.

Die Eurominister wussten allerdings schon einmal besser, wie es um die griechischen Schulden steht. Gerade drei Jahre ist es her, dass sie Erleichterungen versprachen, wenn Athen weiter eisern sparen und einen Budgetüberschuss erzielen sollte.

Das ist mittlerweile geschehen, Griechenland hat geliefert. Doch die EU möchte nicht an ihre Versprechen erinnert werden. Wenn Tsipras schlau ist, wird er Schäuble an die Zusage von 2012 erinnern. Denn nicht alle EU-Politiker leiden unter Gedächtnisschwund. Nur Finnen und Niederländer scheinen Deutschland heute noch bedingungslos zu folgen. Die EU-Kommission hingegen denkt um.

In der Brüsseler Behörde wird ein Entgegenkommen in der Schuldenfrage ebenso wenig ausgeschlossen wie ein Ende der in Griechenland besonders verhassten Troika. Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat bereits mehrfach das Aus der autoritären Überwacher gefordert; auch der Europäische Gerichtshof hat es unlängst gefordert. Es geht gar nicht so sehr um Tsipras – dem ist nur eine Nebenrolle zugedacht. Im Kern geht es darum, wer in der Eurokrise das Sagen hat. Und deshalb kann es hart werden, wie so oft in diesem europäisch-griechischen Drama.

Der Tag SEITE 2

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