halil altintop
: Liebster Feind

Es gibt auf Schalke eine merkwürdige Neigung zur Selbstzerfleischung. Die Liebe der Fans zu ihrer Fußballmannschaft mag leidenschaftlich sein wie kaum an einem anderen Ort, doch sie ist auch komplizierter als irgendwo sonst. Ein einziger ungeschickter, vielleicht sogar versehentlich geäußerter Satz kann ausreichen, um die Liebe in eine echte Krise zu stürzen. „Ich hätte mir schon ein wenig mehr vom Publikum erwartet“, hatte Halil Altintop gesagt, nachdem das so leidenschaftlich herbeigesehnte Champions-League-Spiel gegen den FC Valencia zu einer – auch atmosphärisch – seltsam gelähmten Veranstaltung geworden war. Das wurde in Teilen des Schalker Publikums als Schuldzuweisung für die Niederlage begriffen, und am Samstag beim fußballerisch feinen 3:0 gegen Arminia Bielefeld erhielt Altintop die Quittung für diese Worte.

Das Verlesen seines Namens bei der Mannschaftsaufstellung wurde ebenso von Pfiffen begleitet wie seine Einwechslung in der 75. Minute. Die Schalker Fans haben nun nicht zum ersten Mal eine Art Feind in den eigenen Reihen. Altintop steht in einer Reihe mit Victor Agali, Kevin Kuranyi und seinem Bruder Hamit, die allesamt schon einmal diese unangenehme Rolle des Sündigen zugeteilt bekamen. Etwas fatalistisch sagte Andreas Müller, „das ist bei uns schon Gang und Gäbe“. Aber so ist das wohl in der Liebe.

Vielleicht hätte der Spieler, der ja in Gelsenkirchen geboren ist und daher Verständnis für die sensible Reaktion des Anhangs haben könnte, einfach für die etwas ungeschickte Formulierung entschuldigen, sie in Nuancen abändern müssen. Auch Mirko Slomka sagte am Samstag im Kern noch einmal Ähnliches, nur gelang ihm eine unverfängliche Version: „Verglichen mit Valencia war heute eine ganz andere Atmosphäre“, befand der Trainer.

Auf Schalke rätseln sie nach dem Fußballfest vom Samstag, warum diese Leichtigkeit, dieser Glaube an die eigene Kraft, diese Freude am Fußball und die sich daraus ergebende Dominanz in der Champions League nicht möglich war. Das Publikum strahlte am Samstag jedenfalls eine völlig andere Souveränität aus und bestätigte Altintops Vorwurf damit indirekt sogar. So kompliziert können souveräne 3:0-Siege wohl nur auf Schalke sein. DANIEL THEWELEIT