: „Es geht nicht nur ums Geld“
Laut einer Umfrage des Marburger Bunds würden 62 Prozent der Hamburger Ärzte ihren Job aufgeben, wenn sie Alternativen hätten. Lange Schichten und Bürokratieaufwand sind die Gründe.
FRANK ULRICH MONTGOMERY, 55, ist Oberarzt am Universitätsklinikum Eppendorf und Vorsitzender des Marburger Bundes
INTERVIEW: ANNIKA STENZEL
taz: Herr Montgomery, warum sind Hamburgs Ärzte unzufriedener als im Rest des Landes?
Frank Ulrich Montgomery: Das liegt daran, dass die Arbeitgeber in Hamburg die Krankenhausärzte mit kleinen Gemeinheiten und Nickligkeiten triezen: Die Zeit als Arzt im Praktikum wird nicht als Vordienstzeit anerkannt. Es wird versucht den Oberärzten ihren Status zu nehmen, um sie in einer niederen Gehaltsgruppe unter zu bringen. Und dann gibt es Probleme mit der Bezahlung der Überstunden.
Zahlen die Arbeitgeber nicht?
Doch, aber Bereitschaftsdienste und Überstunden werden mit einem festen Entgelt entlohnt, zum Beispiel 25 Euro pro Stunde. Wenn die Ärzte dann aber einen Freizeitausgleich machen, um Überstunden abzubauen, dann werden ihnen diese mit einem höheren Betrag abgezogen. Der Arzt hat dann vielleicht 16 Überstunden zu 25 Euro gemacht und kriegt nachher acht Stunden Freizeitausgleich zu 32 Euro abgezogen.
Aber Hamburg ist doch mit Überstunden besser dran als andere Bundesländer …
Hamburg ist ein wenig besser dran, weil es Schichtdienst gibt, also weniger Überstunden. Aber darum geht es den Krankenhausärzten nicht. Es geht nicht immer nur ums Geld, sondern darum, wie man mit den Menschen umgeht und dass Ärzte ihren erarbeiteten Status behalten können.
Laut Ihrer Umfrage sind die Ärzte am meisten vom Papierkram genervt. Kann man einem Arzt nicht zumuten, dass er ein paar Formulare ausfüllt?
Das kann man. Ein Arzt muss das, was er tut, auch dokumentieren. Das ist selbstverständlich. Aber mehr als 50 Prozent der Ärzte haben angegeben, dass sie sich täglich mehr als zwei Stunden mit Büroarbeit beschäftigen müssen. Ärzte sind Ärzte. Die wollen ihren Job machen und haben keine Lust auf Papierkram.
Und wie löst man das Papierkram-Problem?
Indem man den Ärzten jemand beiseite stellt, der das für sie erledigt. Ärzte machen alles. Man muss deren Tätigkeiten verteilen.
Kann man bei den hohen Gehältern von Ärzten nicht verlangen, dass sie flexibel sind?
Wo haben Ärzte denn hohe Gehälter? Das Einstiegsgehalt beträgt laut Tarifvertrag 3.300 Euro im Monat. Ein Oberarzt verdient zwischen 60.000 und 70.000 Euro im Jahr.
62 Prozent der Krankenhausärzte in Hamburg würden, wenn es eine Alternative gäbe, ihren Job aufgeben. Haben Sie Angst, dass die vielleicht mal ernst machen?
Die Ärzte werden jetzt nicht sofort alle kündigen. Aber sie nutzen auch nicht ihr Rückkehrrecht in die Krankenhäuser. Viele Stellen sind nicht besetzt.
Sind die Ärzte auch wegen der Privatisierung der Krankenhäuser unzufrieden?
Darüber habe ich keine Zahlen, da müsste ich spekulieren. Das kann aber schon sein. Ich glaube, das liegt aber eher daran, dass der Tarifvertrag nicht umgesetzt wird. Ein Jahr haben wir den Tarifvertrag nun, und es ist nichts in den Krankenhäusern angekommen. Das Tarifrecht wird gebrochen und die kommen davon.
Gehen bald alle ins Ausland?
Im Ausland wird die Arbeit von Krankenhausärzten wenigstens respektiert. In Großbritannien wird zwar auch viel gearbeitet, aber dreimal soviel bezahlt, und in Schweden verdienen Ärzte 50 Prozent mehr als bei uns – und sie haben geregelte Zeiten und einen respektierten Tagesablauf mit weniger Papierkram.