Volksentscheid zum Warmlaufen

Volksentscheid, Kohlekraftwerk, Linkspartei: Michael Naumann, SPD-Spitzenkandidat in Hamburg, will Erster Bürgermeister an der Elbe werden. Das geht aber nur in einer rot-grünen Koalition

Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 24. Februar 2008 möchte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gern seine absolute Mehrheit verteidigen, die er vor vier Jahren mit 47,2 Prozent errang. Zurzeit deutet jedoch nichts darauf hin, dass ihm das gelingen könnte. Nach jüngsten Meinungsumfragen liegt die CDU mit 42 bis 43 Prozent etwa zehn Prozent vor der SPD (2004: 30,5). Die Grün-Alternative Liste (GAL) legt mit 13 bis 14 Prozent leicht zu (2004: 12,3). Die FDP bliebe mit etwa drei Prozent weiterhin außerparlamentarisch. Neu im Machtgefüge dürfte jedoch die Linkspartei sein, der mit sieben oder acht Prozent gute Chancen eingeräumt werden, nach dem Vorbild Bremens im Mai erstmals ins Hamburger Rathaus einzuziehen. Der Unterschied zu Bremen wäre: Sie würde Rot-Grün verhindern und eine Koalition unter Führung der CDU erzwingen.  SMV

Von Sven-Michael Veit

Er habe Post vom Bürgermeister bekommen, erzählt Michael Naumann schmunzelnd beim Frühstück mit Hamburgs Rathausjournalisten. Darin fordere Ole von Beust (CDU) ihn auf, dem Volksentscheid in Hamburg am 14. Oktober nicht zuzustimmen. Dieser Bitte, sagt der Bürgermeister-Kandidat der Hamburger SPD, könne er nicht nachkommen. Denn das Referendum sei ja auch eine „Abstimmung über von Beust“, der dieses selbst provoziert habe mit seiner „Missachtung von Volksentscheiden“.

Hamburgs CDU hat etwa 200.000 Briefe an „zufällig ausgewählte“ HamburgerInnen verschickt, in denen von Beust „als Privatmann“ Stellung gegen einen Volksentscheid bezieht. Dieser soll Referenden verbindlich in der Verfassung des Stadtstaates verankern. Grund ist, dass die CDU-Mehrheit in der Vergangenheit das Ergebnis von Volksabstimmungen missachtet hat. Beispielsweise wurden die städtischen Krankenhäuser privatisiert, obwohl sich in einem Referendum rund drei Viertel der Abstimmenden dagegen ausgesprochen hatten.

Das sei „nicht legitim gewesen“, sagt Naumann, und dass von Beust nun über seine Partei angeblich private Briefe an die BürgerInnen verschicken lasse, sei gleichfalls fragwürdig. Es sei aber bezeichnend für den Schlingerkurs des Bürgermeisters. Denn bei Volksentscheiden „sagt er, was er will“, über den Bau eines Kohlekraftwerks von Vattenfall im Hamburger Hafen hingegen schweige er. Nach Ansicht von Naumann aber dürfe das Kraftwerk nicht gebaut werden. Wenn schon, dann ein Gaskraftwerk, das sei „im Hinblick auf den Klimaschutz verträglicher“, weil es einen geringeren Ausstoß an Kohlendioxid habe. Energiepolitik müsse sich auch „an der Gesundheit der Menschen und dem ökologischen Zustand der Elbe orientieren“.

Vorige Woche war bekannt geworden, dass die Hamburger Umweltbehörde durch das Kraftwerk erhebliche Beeinträchtigungen der Wasserqualität der Elbe sowie vermehrtes Fischsterben befürchtet. Die Anlage, eine der größten ihrer Art in Deutschland, wäre der größte Verbraucher von Kühlwasser am Fluss. Beim Ansaugen würden Fischlarven in weitem Umkreis getötet, die Wiedereinleitung des gebrauchten und um mehrere Grad erhitzten Wassers würde den Sauerstoffgehalt der Elbe senken. Eine Entscheidung über Vattenfalls Bauantrag für das Kraftwerk soll noch in diesem Jahr fallen.

Erneut sprach Naumann sich vehement gegen die Linkspartei aus: „Wir werden mit dieser Partei nicht koalieren“, stellte der ehemalige Kulturstaatsminister in der rot-grünen Bundesregierung klar. Deren West-Star Oskar Lafontaine hatte am Wochenende angedeutet, dass auch in westdeutschen Bundesländern rot-rote Bündnisse denkbar seien. „Das mag für das Saarland gelten“, sagte Naumann, „aber nicht für die SPD in Hamburg.“

Dazu sei die Linkspartei, die in fünf Monaten erstmals in die Bürgerschaft einziehen könnte, nicht verlässlich genug und habe überdies viele „bizarre“ Vorstellungen. Zudem habe sie selbst ja „knallharte Opposition“ angekündigt, also stelle sich diese Frage für ihn gar nicht.

Also könnte Naumann nur in einer rot-grünen Koalition Regierungschef werden. Die aber dürfte rechnerisch nur in einer Bürgerschaft mit den drei Fraktionen CDU, SPD und GAL möglich sein. Nach dem derzeitigen Stand der Demoskopie jedoch zöge die Linkspartei ins Parlament ein und würde Ole von Beust im Amt halten – als Bürgermeister einer großen Koalition oder des ersten schwarz-grünen Bündnisses in einem deutschen Bundesland.