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Archiv-Artikel

Eine Giraffe gegen die Einsamkeit

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Hansaviertel lässt einem keine Wahl – man sieht sich in der „Giraffe“, der Dorfkneipe Berlins

Jedes Dorf braucht seine Pinte, in der die Bewohner zusammenkommen können. Selbst in der Stadt strebt der Mensch nach einem Stammlokal, in dem er erkannt wird, in dem auch er jemanden erkennen kann. Ja, ein Stammlokal, das ist ein gutes Mittel gegen die Einsamkeit. Die Menschen des Hansaviertels in Tiergarten müssen ähnlich denken, schließlich gibt es hier die Giraffe, ein Café und Restaurant mit hohem Stammgast-Anteil.

An der Einrichtung des großen Lokals kann es nicht liegen, dass die Menschen immer wiederkommen. Das Café wirkt gepflegt, es ist fast rundum verglast, und es sitzt sich auf den gepolsterten Stühlen sehr bequem. Die Tische sind gewischt, die große Spielecke für Kinder hell und aufgeräumt, doch die Giraffe versprüht den Charme einer sauerländischen Turnhallenkneipe. Die Theke in der Ecke wurde gemauert und unverputzt gelassen, eine Optik, die vor allem im öffentlichen Bauen vor zwanzig Jahren schwer beliebt war. Der braune Teppich ist zu praktisch, um wirklich schön zu sein.

Die vielen Gäste, die während des Abends in die Giraffe kommen, scheint diese sterile Atmosphäre nicht zu stören. Frauengruppen, Männer unter sich, Familien, alte Paare und junge, holländische Touristen – in der Giraffe sind alle vertreten. Nur eins scheint die Gäste in der Giraffe zu einen: die Liebe zur Funktionsjacke, wenn möglich in einer knalligen Farbe und, wenn es geht, noch mit einer Kordel, die man in der Mitte zuziehen kann.

Die Speisekarte der Giraffe ist mindestens so bunt wie die Oberbekleidung der Gäste. Schwäbisches und Thai-Suppen, indisch angehauchte Spaghetti und bayerischer Braten, eine sehr vielseitige Mischung. Leider enttäuscht die Giraffe schon bei den Vorspeisen: Die Frühlingsrollen kommen aus der Tiefkühltruhe, eine kleine Fliege klebt am Salatblatt. Dem Schweinebraten mit Kartoffeln und bayerischem Kraut traut man danach nicht mehr so recht. Wenn der Salat schon nicht richtig gewaschen wird, wie nachlässig ist man dann in der Küche bei der Fleischzubereitung?

Leicht versalzen ist das Gericht noch dazu. Die Tandoori-Nudeln werden mit Hühnerbrust serviert und sind zwar eine gute Idee, in der Durchführung aber viel zu wenig abgerundet. Nein, an der Küche kann es nicht liegen, dass die Giraffe so viele Stammgäste hat.

Die Antwort auf diese Frage liegt wohl eher vor der Tür als dahinter: An dieser Ecke gibt es sonst nichts. Wer hier wohnt, der wird früher oder später aus Mangel an Möglichkeiten in der Giraffe hängen bleiben.

Restaurant Giraffe, Klopstockstr. 2, 10557 Berlin, S-Bahn Tiergarten, Tel. (0 30) 34 35 26 90, www.giraffe-berlin.de, Mo.–So. 8–2 Uhr, Cola 1,80 €, Bier ab 1,80 €, Latte macchiato 1,90 €, Vorspeisen ab 4,20 €