Generation Y langweilt sich zu Tode

THEATER Das bat-Studiotheater zeigt „Warum bin ich eigentlich heimlich so verdammt stolz auf meinen Naziopa?“. In der von Jakob Roth entworfenen Stückentwicklung geht es um Lethargie und versuchten Aufruhr – einzig, es entwickelt sich nichts

Narzisstisch, sicherheitsorientiert, unpolitisch. Die Urteile über die „Generation Y“, wie die ab 1980 Geborenen genannt werden, sind nicht gerade schmeichelhaft. Höchste Zeit, den Zuschreibungen in die Jahre gekommener Soziologen eine Innenansicht entgegenzusetzen, will man meinen. Jakob Roths Stückentwicklung am bat verspricht genau das. Einen „Abend über die Generation Y“ soll es geben, betitelt mit der erstmal schön rätselhaft daherkommenden Frage, „Warum bin ich eigentlich heimlich so verdammt stolz auf meinen Naziopa?“.

Ein Matratzenlager, tetrishaft zusammengebaut, bedeckt die Bühne. Ein erwartbares Bild für eine angeblich verweichlichte und harmoniesüchtige Generation, aber eines, das funktioniert. Ab und an werden die Matratzen zur Leinwand für Videoprojektionen: Eine Lichtung im Wald sieht man, sprießendes Grün, blauer Himmel. Die Aussichten, sie sind doch ganz gut, oder?

Wider die Werbestimme

Die Figur, die Moritz Kienemann, Schauspielschüler im vierten Studienjahr und alleiniger Bestreiter des Abends, entwirft, sieht das anders. So ziemlich alles erscheint ihm hassenswert: Vater, Mutter, das Wetter, die freundliche Werbestimme beim Einkaufen, Kultur, Theater, Arte, 3sat. Tiradenartig ereifert sich hier einer, dem jeder Sinn abhandengekommen zu sein scheint und der daran verzweifelt – an dieser „alles bedeckenden Langeweile“, den „Möglichkeiten“, den verpassten wie den genutzten.

Kienemann ist auch Poetryslammer, das merkt man schnell: am federnden Tonfall, in dem er seine Hassrede vorträgt, an der routinierten Art, in der er den Dialog mit dem Publikum sucht.

Denn auf einmal schwenkt seine Figur um, preist den Rückzug ins Private, die Vorzüge von Einbauküchen und Fernsehabenden. Die Zuschauer, Anfang zwanzig, die hier von den Freuden des „einfachen, sicheren, schönen“ Paaralltags überzeugt werden sollen, zeigen sich allerdings wenig angetan.

Was tun mit dem Leben, wenn angeblich alle Möglichkeiten offenstehen? Ist der Verzicht auf die Ambitionen der beste Weg zur Zufriedenheit? Und bringt das überhaupt etwas, zu versuchen, die Verhältnisse zu verändern? In eingespielten Interviews hört man, wie sich junge Menschen dazu Gedanken machen. Über die Überlebenschancen des Planeten, die Wahrscheinlichkeit einer Revolution.

Dann soll es aber gut sein mit der Nachdenklichkeit. Jetzt beginnt der zweite Teil des Abends, der, auf den sich der Titel bezieht, auch wenn der „Naziopa“ mit keinem Wort erwähnt wird: Ein Plädoyer für die Notwendigkeit von Gewalt in einer vom Geld regierten Welt, feurig vorgetragene Plattitüden aus dem „Empört euch!“-Diskurs. Natürlich schwingt in dem Aufruf, eine „Armee aus verweichlichten Teddybären“ zu bilden, ein gehöriger Schuss Ironie mit. Der Versuch, als erster Beweis der neu gefundenen aufrührerischen Energie einen Zuschauer zu ohrfeigen, muss dann auch scheitern. Er traue sich einfach nicht, gesteht der Möchtegernrevolutionär.

Ein paar Tritte gegen einen Stuhl, und es geht zurück auf die Matratze. Ein letztes Video, wieder der Wald, diesmal bei Nacht, Gestrüpp behindert die Sicht. Dann Dunkelheit. Die ratlose, hedonistische Jugend, da ist sie wieder. Etwas schwach scheint diese Pointe, bestätigt sie doch genau den Vorwurf der Lethargie, den die „Generation Y“ ununterbrochen zu hören bekommt.

Klischierte Darstellung

Die Gelegenheit, die gängigen Diagnosen zu hinterfragen, wenigstens aber die Gewaltfantasien stringent zu Ende zu denken, bleibt ungenutzt. So bereitwillig, wie hier die Klischees über die eigene Generation übernommen werden, könnte man auf die Idee kommen, dass an der vorgehaltenen Angepasstheit wirklich etwas dran ist. Ein Gedanke, der dann in der Tat Lust machen würde, sich im Bett zu verkriechen.

LUISE CHECCHIN

■ „Warum bin ich eigentlich heimlich so verdammt stolz auf meinen Naziopa?“, wieder am 29./30./31. Januar im bat, Belforter Straße 15, Prenzlauer Berg