: Retter mit Maschinengewehren
MILITÄREINSÄTZE Das Bundesverfassungsgericht muss entscheiden, wann humanitäre Einsätze der Bundeswehr die Zustimmung des Bundestags benötigen. Konkret geht es um eine Aktion in Libyen
KARLSRUHE taz | Hat die Bundesregierung bei einem Bundeswehr-Rettungseinsatz in Libyen getrickst und die notwendige Beteiligung des Bundestags umgangen? Das meint die grüne Bundestagsfraktion und klagte beim Bundesverfassungsgericht. An diesem Mittwoch fand in Karlsruhe die mündliche Verhandlung statt.
Konkret ging es um einen Vorfall während des Aufstands gegen das Gaddafi-Regime in Libyen. Im Februar 2011 baten Deutsche, die in einer Ölanlage arbeiteten und im Wüstenort Nafurah festsaßen, um Hilfe – die Lebensmittel würden knapp. Der Krisenstab der Bundesregierung plante zunächst eine Evakuierung auf dem Landweg, doch die Gefahr von Überfällen erschien zu hoch. Die Bundeswehr wurde beauftragt. Mit zwei Transall-Maschinen holte sie 132 Personen ab, darunter 22 Deutsche.
Da die Aktion aus Sicherheitsgründen geheim bleiben sollte, konnte der Bundestag nicht vorab informiert werden. Auch nachträglich wollte der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) keine Genehmigung einholen. „Das war eine Rettungsaktion mit logistischen Mitteln der Bundeswehr, fernab von jeder militärischen Auseinandersetzung“, bekräftigte de Maizière jetzt in Karlsruhe.
Die Grünen waren nicht gegen den Rettungseinsatz, fühlten sich aber ausgetrickst. „Man wartet ab, wie die Aktion läuft, und wenn alles gut geht, sagt man, sie war ungefährlich und deshalb nicht zustimmungspflichtig“, kritisierte der grüne Außenpolitiker Frithjof Schmidt. „Dabei hat die Bundeswehr besonders geschützte Flugzeuge benutzt, es waren bewaffnete Soldaten an Bord, und in Kreta waren Kampftruppen in Bereitschaft.“ Man habe also durchaus mit militärischen Gefahren gerechnet.
Das wies de Maizière jedoch zurück: „Die militärische Sicherung war rein vorsorglich, um Risiken zu vermeiden. Das macht die Sache nicht zustimmungspflichtig.“ Der damalige Leiter des Krisenstabs versicherte, dass man auch vorab keine Gefahr für die Soldaten gesehen habe.
Die Richter fragten zunächst scharf, schienen dann aber mit den Erläuterungen zufrieden. Sie versuchten nun, einen Maßstab zu entwickeln, „mit dem man in Zukunft vernünftig arbeiten kann“, so Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Er schlug vor, bestimmte Formen der Bewaffnung als Beleg für militärische Gefahren und damit für die Zustimmungspflichtigkeit des Einsatzes zu werten.
Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet. CHRISTIAN RATH