: Stress bei der Deutschen Bank
BILANZEN Das größte deutsche Geldhaus ringt weiterhin mit den Folgen früherer Verfehlungen. Der angekündigte Kulturwandel lässt auf sich warten. Die beiden Vorstände Fitschen und Jain bleiben glücklos. Für 2014 wird mit einem Plus von einer Milliarde Euro gerechnet
VON HERMANNUS PFEIFFER
BERLIN taz | In der Deutschen Bank rumort es – und die beiden Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen und Anshu Jain tauchen ab. Statt der gewöhnlich mit viel Pomp vor Hunderten Journalisten aufgeführten Bilanzpressekonferenz sollen sich die Medienvertreter am heutigen Donnerstag erstmals mit einer Telefonkonferenz wie bei einer Provinz-Sparkasse begnügen. Die mutlose Meidbewegung zeigt, dass es zwischen den Kovorstandsvorsitzenden und Aufsichtsratsboss Paul Achleitner bald richtig scheppern könnte.
Denn die Zukunft der deutschen Nummer eins sieht – zumindest auf den ersten Blick – nicht rosig aus. Seit Wochen kursieren bereits Spekulationen über einen baldigen Abgang der beiden Kovorsitzenden. Dagegen gilt der frühere Allianz- und Goldman-Sachs-Manager Achleitner längst als starker Mann der Deutschen Bank. Und mit Marcus Schenck, der ebenfalls schon dem US-Investmentunternehmen Goldman-Sachs gedient hatte, hat Achleitner für den Mai bereits einen Thronfolger installiert.
Das Geschäft des Geldhauses läuft glücklos, seit der klassische Deutsch-Banker Fitschen, der unter anderem auch mehrere Jahre in Asien gearbeitet hat, und der aus Indien stammende britische Investmentbanker Jain zusammenwirken. Der angekündigte Kulturwandel, mit dem beide das durch die Finanzkrise verlorene Vertrauen zurückgewinnen wollten, blieb unglaubwürdig: Finanzgeschäfte mit Agrarrohstoffen beispielsweise hält Fitschen für gerechtfertigt. Und die mehr als 8.000 Investmentbanker kassierten 2014 laut einer Credit-Suisse-Analyse 152.000 Euro Boni – pro Nase. Auch die „Strategie 2015+“ verpuffte, die das Investment-, Kredit- und Privatkundengeschäft stärken wollte.
Nach dem Minus im dritten Quartal erwarten Analysten auch im Schlussquartal, dessen Ergebnisse Donnerstag bekannt gegeben werden, Verluste. Unterm Strich könnte dann für das ganze Jahr 2014 ein Gewinn von 1 Milliarde Euro stehen – was angesichts der 22 Milliarden Dollar, welche die amerikanische Universalbank JP Morgan einfuhr, als „Peanuts“ bezeichnet werden könnte.
Da hilft Fitschen und Jain auch nicht der Hinweis auf Milliardenkosten für Strafen und Vergleiche in aller Welt. Allein die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten betrugen zeitweilig 4,1 Milliarden Euro. Und während der Deutsche Aktienindex (DAX) von einem Rekord zum nächsten boomte, mutierte die Bank zu einem Leichtgewicht mit einer Börsenkapitalisierung von 35 Milliarden – selbst die spanische Bank Santander ist mehr als doppelt so viele Euros wert.
Jain und Fitschen, dem noch eine Meineidermittlung wegen versuchten Prozessbetrugs im Kirch-Verfahren anhängt, traten erst im Juni 2012 die Nachfolge des Schweizers Josef Ackermann an.
Ihr Krisenmanagement wirkte oft holperig. Doch für frühere Verfehlungen ihrer Vorgänger können die beiden wenig. Und ihren Job dürften beide zwar für unsicher, aber durchaus für erfolgreich halten. „Die Deutsche Bank hat den Stresstest der EZB in allen Szenarien mit einem deutlichen Eigenkapitalpuffer über dem geforderten Minimum bestanden“, sagt Michael Seufert von der NordLB.
An der Aufarbeitung der juristischen Probleme werde mit „Hochdruck“ gearbeitet. Fitschen und Jain hätten „ihre Hausarbeiten gemacht“ – mehr als das: „Sie mussten eine fast neue Bank kreieren.“ Seufert: Das haben sie „gut gemeistert“. Die regulatorischen Anforderungen führten zu einem Anstieg der Festgehälter, und Boni werden inzwischen erst nach fünf Jahren ausgezahlt – was mehr Solidität verspricht. „Ich glaube nicht, dass es eine Bank auf der Welt gibt, die konservativer damit umgeht als wir“, versprach Fitschen auf dem Neujahrsempfang seines Instituts in Hamburg.
Probleme machen die sich ständig ändernden politischen Zielvorgaben. Die Deutsche Bank als Universalbank, die private Sparer bedient und Firmen mit Krediten versorgt, das Vermögen von Milliardären verwaltet und an der Börse auf eigene und fremde Rechnung spekuliert und das Ganze auch noch global, hechelt den sich immer noch im Fluss befindlichen weltweiten Regulierungen ständig hinterher.
Ob sich das für die Deutsche Bank irgendwann wieder richtig auszahlt? In Großbritannien bedarf es wohl bald eigener (teurer) Vorstände für jede Geschäftseinheit; die Einlagen der 14 Millionen Postbank-Kunden sind weitgehend tabu, und amerikanische und asiatische Finanzaufsichten haben besonders ausländische Großbanken auf dem Kicker.
Auch deutsche Aufseher sorgen sich. Und Wirtschaftsjournalisten: Eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage der Dr. Doeblin Gesellschaft für Wirtschaftsforschung ergab, dass die Deutsche Bank unter den Konzernen fehlt, „die nichts so schnell umwirft“. Ein solcher Fall könnte in einer neuen Krise gefährlich werden: „Die Deutsche Bank hat ein riesiges Bilanzvolumen – aber ein sehr kleines Eigenkapital“, sagt Professor Friedrich Thießen, Finanzmarktexperte an der TU Chemnitz. Im Vergleich zu anderen internationalen Großbanken.
Die Bank sieht sich jedoch auf einem sicheren Weg: „Die Bilanzsumme wurde seit 2012 von 2.249 auf 1.709 Milliarden Euro reduziert“, sagt ein Sprecher der taz.
Die von der Zeit überholte „Strategie 2015+“ muss fortgeschrieben werden. Doch wohin? „Die Bank hat als Bank für Privatkunden und Unternehmen durchaus eine Chance“, meint Ökonom und Bankkritiker Rudolf Hickel. Vorher müsse sie aber ihre Bilanz „schrumpfen“. Vor allem das Investmentbanking. Damit Deutschlands Nummer eins nicht mehr zum Systemrisiko werden könne. Ihre große Jahrespressekonferenz wollen Jain und Fitschen nun erst im zweiten Quartal abfeiern.