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Archiv-Artikel

Der Milieuschutz ist eine Schnecke

MIETER II SPD und CDU haben endlich ein Verbot für Umwandlung beschlossen. Das kommt aber nur den grünen Bezirken zugute. Die SPD in den Bezirken hat das Thema verpennt

VON UWE RADA

Der Fortschritt ist eine Schnecke, metapherte einst Günter Grass und meinte damit seine SPD, für die er in den Wahlkampf gezogen war. In den SPD-geführten Bezirken Neukölln und Mitte gilt das bis heute. Während Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg längst Erhaltungssatzungen verabschiedet haben, kommt die Diskussion dort erst langsam voran. Von der neuen Umwandlungsverordnung des Senats werden die Mieterinnen und Mieter im Wedding, in Neukölln-Nord oder in Moabit zunächst also nicht profitieren.

Eine Erhaltungssatzung kann ein Bezirk dann festlegen, wenn einem großen Teil der Bevölkerung in bestimmten Quartieren die Verdrängung droht. Dies allerdings muss in aufwendigen Untersuchungen zunächst empirisch nachgewiesen werden. Der Vorlauf für eine Erhaltungssatzung nimmt viel Zeit in Anspruch. So wurde die Firma Asum im Dezember 2012 mit der Prüfung von Erhaltungsgebieten in Tempelhof-Schöneberg beauftragt. Das Gutachten lag im Juni 2013 vor. Festgesetzt wurden die drei Gebiete Barbarossaplatz/Bayerischer Platz, Bautzener Straße und Kaiser-Wilhelm-Platz schließlich im September 2014, fast zwei Jahre nach Beginn der Untersuchungen.

Liegt für ein Quartier eine solche Satzung vor, können Hauseigentümer bei Modernisierung nicht mehr schalten und walten, wie sie wollen. Jede Investition muss vielmehr vom Bezirksamt genehmigt und auf ihre Sozialverträglichkeit geprüft werden. In einem Kriterienkatalog wird festgelegt, was genehmigungsfähig ist und was nicht.

In den zehn Pankower Gebieten etwa werden Fußbodenheizungen, Innenkamine und Zweitbalkone nicht erlaubt – sie gelten als unerwünschte Luxusmodernisierung. In Friedrichshain-Kreuzberg mit sechs solchen Gebieten kommen Einbauküchen hinzu. In beiden Bezirken wird die Zusammenlegung von Wohnungen untersagt.

Treibende Kraft bei diesen Mieterschutzregeln waren die grünen Baustadträte. Mit der neuen Umwandlungsverordnung sind die Mieter schließlich nicht nur vor Luxusmodernisierung geschützt, sondern auch vor einer Umwandlung ihrer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung. Dort nämlich beträgt die Miete nach Angabe des Mietervereins im Schnitt ein Drittel mehr als in normalen Mietwohnungen.

Nun prüft also Mitte

Bevor aber nun die Mieter in Mitte und Neukölln in diesen Genuss kommen, wird es eine Weile dauern. In Neukölln hat das Bezirksamt erst im September 2014 beschlossen zu prüfen, ob der Reuterkiez und der Schillerkiez geschützt werden sollen. Vorausgegangen waren zahlreiche Bürgeranträge. Noch-Bezirksbürgermeister Buschkowsky hatte dagegen immer wieder behauptet, in seinem Bezirk gebe es keine Gentrifizierung.

Nun prüft also Mitte. Ob die Kieze in Moabit und im Wedding aber tatsächlich bereits im Frühjahr 2016 einen besonderen Schutz genießen werden, wie CDU-Stadtrat Carsten Spalleck glauben macht, darf bezweifelt werden. Nicht nur bei der SPD ist der Fortschritt eine Schnecke, sondern auch bei der CDU.