: Franziska in den Städten
Schwärmen für Schauspielerinnen (2): Schauspieler, sagt Franziska Petri, wollen von allen geliebt werden. Und funktioniert das? Natürlich nicht
VON RENÉ HAMANN
Schnell ist klar: Hier wird es keinen Ärger geben. Keine persönliche Zensur am Text, keinen Zwang, Kritik durch Wohlklang zu ersetzen. Denn Franziska Petri ist kein Kontrollfreak, sondern cool. Sie ist im positiven Sinn selbstbewusst, souverän, lässig und schlau. Eine spitze Gesprächspartnerin mit Mut zur Offenheit und der Fähigkeit zur Selbstreflexion. „Ich mag Schauspieler gar nicht“, sagt sie zum Beispiel. Und lacht dabei. Und warum? „Schauspieler sind schnell durchschaubar, weil sich alles nur um Aufmerksamkeit dreht. Hab mich lieb, find mich toll!“ Nicht nur Kritikfähigkeit, sondern eben auch Selbstreflexion fallen da oft schwer. Logisch.
Franziska Petri hat es trotzdem zur Souveränität geschafft. Angefangen hat sie, gebürtige Leipzigerin, an der Berliner Ernst-Busch-Schauspielschule. Das war 1991. Inzwischen hat sie eine Menge Fernsehproduktionen mitgemacht und u. a. die Hauptrolle gespielt in „Vergiss Amerika“, dem Kinofilm von Vanessa Jopp. Da spielt sie eine Schauspielerin, die sich statt mit Hollywood mit Dorfidylle und der Synchronisation von Sexfilmchen herumschlagen muss. Das war ein überzeichneter, aber mitreißender Film, nicht zuletzt ihretwegen. Für die Rolle bekam sie den Preis der HypoVereinsbank. Man kann sich die Namensgeber halt nicht immer aussuchen.
Und die Jobs auch nicht. „Es wird kaum noch Kino gemacht, das normal bezahlt ist“, erzählt sie auf die Frage nach der Gagenentwicklung. „Wenn man nicht gerade Eichinger macht, ist Kino was für Hungerleider. Kunst – damit verdient man nichts. Dafür kann man sich dort mit interessanten Stoffen auseinandersetzen, hat interessante Regisseure, bessere Bücher und weniger Leute, die reinquatschen.“ Hilft auch nicht immer, soll aber nicht ihr Problem sein. „Es gibt Zeiten, da nehme ich das, was bezahlt ist. Weil ich sonst nicht überleben kann. Es kann aber auch interessant sein, sich bei einem schlechten Drehbuch was zu suchen, was einen trotzdem interessiert. Letztlich kann man jede Rolle spielen. Ich weiß aber inzwischen, dass man ein schlechtes Drehbuch nicht durch gutes Spiel retten kann.“
Franziska Petri hat Drehpause, bald ist sie wieder in der Welt unterwegs. Sie wirkt auch ein wenig wie auf Urlaub. Urlaub zu Hause. Sie ist mit dem Fahrrad gekommen. Sie wohnt, nach Jahren im Kollwitzkiez, in Mitte, in der Gegend um die Elisabethkirche. Im alten Kiez wurde es ihr auf die Dauer zu bunt. Zu viele Kollegen. In Mitte ist es ruhiger, sagt sie. Auf dem Weg ins Café hat sie noch einen Bekannten getroffen, den sie lange nicht mehr gesehen hat, daher kam sie etwas spät. Zum Gespräch trinkt sie Wasser mit Eis. Sie ist dezent geschminkt, sie trägt eine Bluejeans, die sie in hohe Stiefel gestopft hat, sie sieht insgesamt schick, aber nicht überkandidelt aus. Blonde, lange Haare. Die Frische, die sie in „Vergiss Amerika“ hatte, ist dabei, nahtlos in eine wohlige Reife überzugehen. Was kann jetzt noch kommen?
Das frage ich sie. „Was ich mal werden will? Ich dachte, ich bin schon was geworden!“, sagt sie und lacht wieder. Nach Hollywood treibt es sie jedenfalls nicht, im Gegensatz zu der Anna, die sie in „Vergiss Amerika“ spielen muss. Sie hat Amerika schon vergessen.
Und wie war das am Anfang, warum wollte sie unbedingt Schauspielerin werden? „Weil ich ein anderes Leben wollte.“ Schon als Kind hat sie sich Rollen, andere Identitäten ausgedacht, erzählt sie. Die Eltern in Leipzig: Fotografin, Maler. Sie hat in Kunstbände geschaut, die ihr zu Kinderbüchern wurden. Die Arbeit, die Schauspielkunst macht man, meint sie, um Schmerz auszudrücken. Sich mitzuteilen. Und, natürlich, weil man von allen geliebt und angenommen werden möchte. Und, funktioniert das? „Natürlich nicht.“
Kann Schauspielerei politisch sein?, frage ich sie dann. „Nein, dafür gibt es andere Medien. Der Dokumentarfilm, das gute Fernsehspiel oder so.“ Sie hat, nebenbei bemerkt, nicht nur schöne Augen, sondern auch eine Stimme wie Honig. „Ich habe auch immer den Verdacht, dass man mit so was gut Aufmerksamkeit erregen kann, dass man das deswegen macht“, sagt sie und meint das politische Gebaren. Man denke nur an Angelina Jolie. Oder an Madonna. „Man müsste wirklich sein Leben dafür geben, nicht nur ein oder zwei Kinder adoptieren oder so. Alles andere wird schnell zum Kitsch.“
Franziska Petris eigenes Leben ist eins aus dem Koffer. Sie mag das. Es ist schön, findet sie, nicht so feste Zeiten zu haben, wo man aus dem Bett steigt und zur Arbeit geht. „Wahrscheinlich bin ich für Normalität der falsche Ansprechpartner, weil ich Normalität nicht mehr kann. Durch den Beruf gewöhnt man sich an ein Leben, das in keiner Weise etwas mit Normalität zu tun hat. Während eines Drehs stellt man Gefühle her, die sehr intensiv sind, über Wochen. Selbst wenn sie nicht real sind, fühlt man sie eben doch. Das ist alles sehr extrem und verschwindet dann plötzlich. Und es ist sehr hart, das Gegenteil auszuhalten. Die Leere des Alltags, die Schalheit des normalen Lebens. Da passiert halt nichts.“
Und was tut sie gegen das schale Leben? Sie geht essen. Sie ist kein Typ für Konzerte, Clubs oder Bars, sie leidet unter Platzangst, lieber ist ihr ein anständiges Restaurant. Sie geht also anständig irgendwo essen und kommt am frühen Morgen nach Hause. Wie sie das macht, weiß sie auch nicht. Wenn sie jemanden kennenlernt, kommt es vor, dass sie in eine weitere Rolle schlüpft. Man wird schnell zum Bild, sagt sie. „Es entsteht sofort eine Energie, wenn du sagst, dass du Schauspielerin bist. Weil das ein Beruf ist, denn irgendwie alle wollen. Wie Fußballspieler oder so. Und das ist immer ein bisschen unangenehm, weil du nicht mehr normal bist.“
Arroganz erwächst aus dieser Abnormität aber nicht. Irgendwie bleibt diese Abnormität im normalen Rahmen. Es ist, als ob sie als Schauspielerin einfach ihren Job macht. Und auch sonst. Geschönt ist hier jedenfalls nichts, Franziska Petri ist tatsächlich toll.
Kürzlich war sie zu einem Dreh in Freiburg. „Eine völlig andere Welt. Du denkst, du befindest dich in einem Paralleluniversum, das zu deiner Entspannung zusammengebastelt worden ist. Ich habe mich sofort bedroht gefühlt.“