: Theaterspielen weckt Begehren
Lange Nacht der Begehren: Drei Initiativen haben sich zusammengetan, um für ihre Volksbegehren zu werben. Doch selbst die Initiatoren fürchten, dass die Gemeinsamkeit nach hinten losgehen kann
VON SVEN BEHRISCH
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus, Acker, Knecht, Magd, Ochsen, Esel noch alles, was sein ist, besagt das 10. Gebot. Die Berliner Senatsverwaltung ergänzte: Du sollst nicht begehren deines nächsten Landeshaushalt. Mit diesem Argument hat der Senat im Februar 2004 das Volksbegehren der „Initiative Berliner Bankenskandal“ abgeschmettert. Die forderte nämlich eine Rücknahme der Risikobürgschaft des Landes für die Berliner Bankgesellschaft. Nun ist die Initiative zurück und hat Verstärkung mitgebracht. Zusammen mit dem Berliner Wassertisch und dem Bündnis für Solidarität und freie Bildung hat sie gleich drei neue Volksbegehren auf den Weg gebracht.
Sie sind die Nummern vier, fünf und sechs auf der Liste der Volksbegehren, die seit der Verfassungsänderung im Oktober 2006 bei der Senatsverwaltung für Inneres eingereicht wurden. Das inhaltliche Programm ist bunt: Die Forderung für langfristig gebührenfreies Studieren steht neben dem Aufruf, alle Verträge zwischen dem Land und der Berliner Wasserwirtschaft offenzulegen, sowie dem Begehr, jedem Menschen das Recht auf ein Girokonto einzuräumen.
Drei erreichen mehr als einer, so das Credo der Initiatoren. Doch, so Michael Efler von der Organisation Mehr Demokratie, „drei reden und erklären auch dreimal so viel“. Den Menschen drei unterschiedliche Anliegen zu erläutern, um sie schließlich zu drei Unterschriften zu bewegen, sei oft langwierig und verwirrend, sagt Thomas Rudek von der Wasser-Initiative. Denn die Organisationen werben zwar gemeinsam für ihre Ziele, ihre Anträge, für die sie jeweils 20.000 Unterschriften benötigen, reichen sie dann aber separat ein. 4.000 haben bislang für gerechtere Sparkassen unterschrieben, 5.000 für billigeres Wasser. Es fehlen jeweils gut 15.000.
Die Vermutung, Themen wie Sparkasse, Hochschule und Wasserwirtschaft weckten eher Volkes Gähnen als Begehren, weist Rudek jedoch zurück: Hohe Wasserpreise und Studiengebühren seien Themen, die die meisten etwas angingen, nur die Initiative zum Sparkassen-Gesetz, räumt er ein, sei „schon etwas komplizierter“.
Um die Dramatik der angeprangerten Trauerspiele deutlicher zu machen, laden die drei Initiatoren diesen Samstag zu der „Langen Nacht der Begehren – unser Wasser – unsere Sparkasse – unsere Unis“ ins „Shake! – das Zelt am Ostbahnhof“. Dort präsentiert die „Berliner Compagnie“ ihr Stück „Das Blaue Wunder – über die aufhaltsame Privatisierung des Wassers“. Anschließend soll diskutiert und, so hoffen die Initiatoren, unterschrieben werden.
Die Initiative Icat, die sich für den Erhalt des Flughafens Tempelhof einsetzt, hat die Zulassung zum Volksbegehren schon in der Tasche. Vorstandsmitglied Thomas Böhme sagt mit Blick auf die Mobilisierungsbemühungen der Mitbegehrer: „Unsere Sache ist derart brisant, da sind solche Spaßveranstaltungen überflüssig.“ Tatsächlich haben die Tempelhof-Befürworter nicht die geringsten Probleme, mit ihrem Thema Emotionen zu wecken. Die Riege der aktiven Unterstützer reiche daher auch „von Jugendlichen, die gerne Papierflieger falten, bis hin zu Rentnern, die der Luftbrücke ihr Leben verdanken“, so Böhme.
Auch der Antrag „Pro Religion“, der sich nach der Absetzung des Fachs Religion vom Stundenplan für eine Gleichbehandlung mit dem Ethikunterricht einsetzt, polarisiert und kann sich über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen. Die erforderlichen 20.000 Stimmen sind längst eingesammelt. Beide Volksbegehren werben separat voneinander und werden von konservativen Parteien unterstützt. „Wir wollen keiner Partei eine Plattform bieten“, sagt Böhme von Icat, „aber natürlich nehmen wir die Hilfe von CDU und FDP gerne in Anspruch.“