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Archiv-Artikel

In Darmstadt unerwünscht

Es wächst sich doch immer wieder zum Problem aus, wenn Grüne aus der Berufspolitik in die Industrie gehen. Nun war Christine Scheel, zu rot-grünen Zeiten eine recht prominente Finanzfachfrau der Grünen, inzwischen eine wenig beachtete Oppositionspolitikerin.

Es gibt also keinen Ehrenkodex und auch keine grüne Selbstverpflichtung, die sie davon abhalten könnte, 2012 in den Vorstand eines kleinen südhessischen Energieversorgers zu wechseln. Zumal HSE einer der größten Ökostromanbieter der Republik ist – wenn auch mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass Eon nach wie vor 40 Prozent der Unternehmensanteile hält. Angeblich habe der Atomstromer aber bei HSE nichts zu sagen, wie Grüne beteuern.

Dass Scheels Karriereschritt nun ähnliche Aufregung hervorruft wie etwa 2008 der Wechsel der früheren grünen Staatssekretärin Margareta Wolf in eine Atomstrom-nahe Unternehmensberatung, ist die Schuld des Darmstädter Bürgermeisters Jochen Partsch – ein Grüner. Denn Partsch, der die Stadt im Juni nach vielen Jahrzehnten SPD-Herrschaft unter dem Motto „Kampf dem roten Filz“ übernahm, fürchtet nun den Vorwurf des „grünen Filzes“, wenn eine Grüne in die Darmstädter HSE-Zentrale wechselt. Er will Scheel nicht. Um sich Scheel vom Leib zu halten, hat Partsch offenbar die Behauptung gestreut, der grüne Exstaatssekretär Rezzo Schlauch, der schon 2005 unter anderem in die Energiewirtschaft wechselte, habe bei der Jobvermittlung seine Finger im Spiel gehabt. Das wiederum halten auch Grüne, die Scheels HSE-Engagement befürworten, für sehr möglich: „Schließlich hat der Rezzo seine Finger überall drin.“ Dies spreche aber immer noch nicht gegen Scheel oder HSE. „Misslich“ sei bloß, heißt es in hessischen Grünen-Kreisen, dass Scheel dies alles ohne Rücksicht auf Partsch durchziehe und dieser sich wiederum auf so unangemessene Art wehre.

Scheel wird für sich im Bundestag – selbst bei einer möglichen bevorstehenden Regierungsbeteiligung – keine großen Chancen mehr gesehen haben. Zu eng ist der Name der 54-Jährigen mit Steuersenkungen und Arbeitgebernähe verknüpft.

ULRIKE WINKELMANN