Mit Dora in die Opposition

Die Hamburger Linke verabschiedet ihr Wahlprogramm und kürt die Ex-SPD-Landtagsabgeordnete Dora Heyenn zur Spitzenkandidatin. Eine Koalition mit Rot-Grün steht für die Partei nicht zur Debatte

„Am besten der Bürgermeister löst das Volk auf und wählt ein anderes“

VON MARCO CARINI

Die Kriegsbeile waren noch in letzter Minute begraben worden. Bis Morgens um acht hatten die Steithähne miteinander getagt und im Morgengrauen einen „für alle Seiten zufriedenstellenden Kompromiss“ gefunden. Es ging darum, ob die Partei in ihrem arbeitsmarktpolitischen Programm auf freie Beschäftigungsträger und Genossenschaften setzen solle, und damit auf den Zweiten Arbeitsmarkt.

Die Antwort heißt nun: Beschäftigungsträger ja, aber nur wenn diese aus den Ein-Euro-Jobs aussteigen und arbeitsrechtliche Bestimmungen im Interesse der Beschäftigten vollständig erfüllen.

Mit diesem Formelkompromiss war auch eines der letzten Hindernisse auf dem Weg zu einem konfliktarmen Wahlparteitag der Hamburger Linken in Farmsen eröffnet. Angeheizt durch eine launige Rede des Bundesvorsitzenden Oscar Lafontaine brachten die rund 100 Delegierten Programmbeschluss und Kandidatenkür nahezu stolperfrei über die Bühne.

Lafontaine hatte zuvor die Delegierten darauf eingeschworen, den Wahlkampf ganz auf die Kernpunkte Hartz IV-Abschaffung, Mindestlohn und Rentenerhöhung zu fokussieren, und sich nicht aufs Glatteis von Koalitionsdebatten führen zu lassen. Lafontaine griff Bürgermeister Ole von Beust wegen dessen Feldzug gegen die Verbindlichkeit von Volksentscheiden scharf an: „Am besten der Bürgermeister löst das Volk auf und wählt ein anderes.“

Derart auf Touren gebracht, rollte der Parteitagszug zwei Tage lang ohne Bremsmanöver. Bei der Programmdebatte kam es allein bei der Frage, wie es die Partei mit der Elbvertiefung halte, zu einem Disput. Hafen-Betriebsrat Detlev Baade kämpfte leidenschaftlich für die Fahrrinnenanpassung, unterlag aber und zog deshalb seine Bürgerschaftskandidatur zurück.

Erstaunlich harmonisch ging auch die KandidatInnenkür vonstatten. Im Vorfeld des Parteitages hatten die Kritiker der Ex-SPD-Funktionärin Dora Heyenn intensiv versucht, eine profilierte Gegenkandidatin zu finden. Doch sowohl die Betriebsratsvorsitzende der Bauer-Verlagsgruppe, Kersten Artus, wie auch die ehemalige Regenbogen-Spitzenkandidatin Heike Sudmann hatten vor dem Parteitag ihren Verzicht erklärt.

Mit den Gegenkandidatinnen Zaman Masudi und Angelika Traversin, denen viele Delegierte nicht zutrauten, im Wahlkampf in forderster Reihe souverän zu bestehen, hatte die innerparteilich umstrittene Heyenn kein Problem. Mit 55 Prozent der Stimmen hängte sie ihre Konkurrenz bereits im ersten Wahlgang ab und wird damit die Linke in den kommenden Monaten repräsentieren.

Auf den weiteren Plätzen landeten das Hamburger PDS-Gründungsmitglied Joachim Bischoff und die Verlegerin Christiane Scheider, Herausgeberin der linken Hamburger Lokalberichte und der Angehörigeninfos. Ebenfalls sicher in der Bürgerschaft wären der arbeitslose Wolfgang Joithe, Mitbegründer der Erwerbslosen-Selbsthilfegruppe „PeNG!“ und Kersten Artus.

Auf die Frage einer möglichen Regierungsbeteiligung fanden die Delegierten ebenfalls eine klare Antwort: Koalition nein, langfristige Tolerierung etwa einer rot-grünen Minderheitsregierung auch nicht, Bürgermeisterwahl nur dann, wenn der Kandidat für einen grundlegenden Politikwechsel im Sinne der Linken zur Verfügung steht.

Sollte dieses Szenario nach der Wahl denkbar sein, werde ein neuer Landesparteitag entscheiden, wie sich die Linke in solch einer Situation verhält. SPD und GAL haben allerdings schon deutlich gemacht, dass sie sich eher eine Koalition mit der CDU als eine Zusammenarbeit mit der Linken vorstellen könnten.

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