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Archiv-Artikel

Der Mohr muss weg

Dank eines neuen Namens weiß nun die Kundschaft der Apotheke in der Pappelstraße: Gemüse ist die beste Medizin

Unter Pharmazeuten erfreuen sich die Mohren einer bescheidenen, aber soliden Beliebtheit. Immerhin 51 deutsche Apotheken wurden irgendwann einmal nach dem mittelhochdeutschen Wort für Mauretanier als „Mohren-Apotheke“ getauft. Und so heißen sie bis heute. Genauer gesagt: Bis vor zwei Wochen.

Seit 14 Tagen sind es nämlich nur noch 50. Die Fassade der früheren „Mohren-Apotheke“ im Neustädter Flüsse-Viertel zieren nämlich jetzt insgesamt vier Ö-Punkte und einige Graffiti-Karotten. Und so präsentiert sie sich ihrer Pillen und Hustensäfte einkaufenden Kundschaft seither als „Möhren-Apotheke“.

Ob der Apotheker selbst die Zeichen der Zeit erkannt hat und künftig vermehrt frisches Wurzelgemüse zur Erhaltung der Gesundheit anbieten will, oder ob es sich um die Tat antikolonialer StraßenkünstlerInnen handelt – man weiß es nicht. Doch fest steht: die NachbarInnen reagieren angetan, mitunter sogar begeistert.

Zum Beispiel Amélie Schulz, die in der nahe gelegenen Rheinstraße wohnt: „Wir sind ja so froh, endlich wieder in der Nähe zur Apotheke gehen zu können“, sagt die Entwicklungshelferin. Bis jetzt habe sie immer bis in die Langemarckstraße laufen müssen, wenn sie etwas aus der Apotheke brauchte. „Und mit zwei kleinen Kindern ist das ganz schön anstrengend.“ Künftig aber werde sie „natürlich einfach in der Möhren-Apotheke einkaufen“. Bisher sei das für sie „überhaupt nicht in Frage“ gekommen: „Der Name war ja total rassistisch.“

Tatsächlich hat die aus dem Mittelalter stammende Bezeichnung für Mauren spätestens Ende des 19. Jahrhunderts eine zunehmend abwertende Bedeutung bekommen. Seit der Kolonialzeit muss das Wort als Symbol für den Herrenmenschenwahn des europäischen Kolonialismus gelten, der die mörderische Unterwerfung der einheimischen Bevölkerung in Afrika stets mit dem Märchen von der Kultur, die den „primitiven Negern“ gebracht werden müsse, zu rechtfertigen trachtete.

Nichts anderes hieß Mohr nämlich am Ende: Primitiver Neger. Der dazu passende visuelle Stereotyp, ein halbnackter schwarzer Mann mit Lanze, Bastrock und wahlweise Knochenschmuck oder lächerlicher Krone, fand bekanntermaßen weite Verbreitung in der deutschen Kultur – und ziert als Statue bis heute auch die Fassade der, nunmehr, „Möhren-Apotheke“ in der Neustadt.

Auch mit ihren Nachbarn hat Amelie Schulz schon gesprochen. „Die sind da früher deswegen auch nicht hingegangen.“ Die „Sache mit den Möhren finden total viele Leute aus der Rheinstraße toll.“

Sie selbst hatte „auch immer schon die Idee, das dem Apotheker einmal vorzuschlagen: Ganz wenig Aufwand, nur zwei Pünktchen, tipp-topp. Jetzt muss nur noch der Mohr weg.“

Christian Jakob