: Russlandpolitik kritisiert
Menschenrechtler werfen Deutschland Doppelmoral vor. Posthume Auszeichnung für Anna Politkowskaja
OSNABRÜCK epd ■ Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat die deutsche Außenpolitik gegenüber Russland scharf kritisiert. Sie habe diejenigen im Stich gelassen, die sich wie die Journalistin Anna Politkowskaja für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem Land einsetzten, sagte die Russlandexpertin Sarah Reinke gestern. Sie hielt die Laudatio auf die 2006 ermordete Journalistin. Politkowskaja erhielt posthum die Ehrenmitgliedschaft der Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft. Ihre Schwester nahm die Urkunde entgegen.
Politkowskaja habe in den letzten sechs Jahren ihres Lebens mehr als 500 Zeitungsartikel über den Tschetschenienkrieg geschrieben, sagte Reinke. Darin sei es um Vergewaltigungen, Morde und Massengräber gegangen. Sie sei zu Vorträgen nach Europa gereist und habe russische Kriegsverbrechen in Tschetschenien vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gebracht.
„Ihre Texte störten und verstörten Politiker, die den russischen Präsidenten Putin hofierten bis zur Prostitution“, kritisierte die Russlandexpertin. Sie seien seinen Versprechen, einen Markt zu schaffen und Energielieferungen zu sichern, auf den Leim gegangen. Politkowskaja habe ihr gegenüber einst die Doppelmoral des Westens angeprangert, so Reinke.
Während sich Politiker über Verbrechen von US-Militärs in Abu Ghraib empört hätten, habe sich niemand für ein Video über die Folter tschetschenischer Zivilisten durch russische Soldaten interessiert, das der Journalistin zugespielt worden war: „Diese Gleichgültigkeit und Selbstgerechtigkeit verbitterten Anna Politkowskaja und waren letztlich mitverantwortlich für ihren Tod.“