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Archiv-Artikel

Willy-Brandt-Zentrum bleibt vorerst bestehen

Rektor der Universität Breslau verlängert Vertrag für Forschungseinrichtung für Deutschland- und Europastudien

BRESLAU taz ■ Das Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien in Breslau wird vorerst bestehen bleiben. Am Freitag wird Polens Staatspräsident Lech Kaczyński in Berlin erwartet. Zwar soll es in erster Linie um EU-Themen vor dem Gipfel in Lissabon gehen, doch Kanzlerin Angela Merkel will auch bilaterale Themen ansprechen. Dass das Willy-Brandt-Zentrum auf der Problemliste nach ganz oben rutschen könnte, wollte die Regierung in Warschau unbedingt verhindern.

Fast zehn Monate hatten der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Breslauer Universität, die das Zentrum mit jeweils 250.000 Euro jährlich finanzieren, über dessen Zukunft gestritten. Am 30. September endete der Vertrag über das bilaterales Projekt, den der Rektor der Breslauer Universität, Leszek Pacholski, in dieser Form nicht verlängern wollte. Das hätte das Aus des Zentrums bedeutet. Im letzte Moment unterschrieb Pacholski doch noch. Als der DAAD am Dienstag auf seiner Internetseite vermeldete: „Das Willy-Brandt-Zentrum wird fortgeführt“, brach unter den Wissenschaftlern jedoch kein Jubel aus. „Wir sind enttäuscht“, sagte einer von ihnen. „Enttäuscht vom DAAD, dem Breslauer Rektor und dem Universitätssenat. Niemand von uns hätte erwartet, dass man uns so niederträchtig behandeln könnte.“

Denn anders als der DAAD verbreitete, hält fast keiner der einst zwölf Professoren und Assistenten eine Verlängerung seines Arbeitsvertrages in der Hand. Enttäuscht ist auch der Rektor. „Ich wollte das Zentrum reformieren, ein echtes Exzellenzzentrum daraus machen. Das habe ich den DAAD schon im Januar wissen lassen“, sagte Leszek Pacholski der taz. Auf einer speziell einberufenen Sitzung in Breslau sei mehreren deutschen und polnischen Wissenschaftlern wie auch zwei Vertretern des DAAD das Reformprojekt vorgestellt worden. Nachdem aber aus der Zentrale in Bonn keine Reaktion kam, sei er selbst nach Deutschland gefahren, habe mit dem Generalsekretär des DAAD die Pläne besprochen und sich nach der Rückkehr nach Breslau an die Umsetzung des Reformprojekts gemacht. „Dann kam plötzlich ein Veto aus Bonn. Ich verstand die Welt nicht mehr.“

Die „Reformpläne“ des Rektors bestanden vor allem in der Entlassung einiger Wissenschaftler am Willy-Brandt-Zentrum, die ihm als zu deutschfreundlich galten. Allen voran Krzysztof Ruchniewicz, der Gründungsdirektor des Zentrums. Statt aber die Stellen neu auszuschreiben, setzte der Rektor eine Direktorin ein, die Politologie in den 70er-Jahren in Moskau studierte, aber kein Wort Deutsch spricht.

Mit Ruchniewicz verliert das Willy-Brandt-Zentrum auch den prestigeträchtigen Erasmus-Mundus-Masterstudiengang, der mit den historischen Instituten in Wien, Leipzig und der London School of Economics abgestimmt ist. Ruchniewicz nimmt den Studiengang und seine Studenten mit ans Historische Institut der Universität Breslau. So besteht das Willy-Brandt-Zentrum zwar fort, aber – zurzeit zumindest – nur auf dem Papier.

GABRIELE LESSER