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Archiv-Artikel

Die dunkle Seite

KULTUR Schwankhalle und Gesellschaft für Aktuelle Kunst tun sich erstmals zusammen – um zum Nach-Jubiläumsjahr der lateinamerikanischen Unabhängigkeit einen „weiblichen Blick“ zu zeigen

Von MNZ

Es ist eine Kooperation, die in Bremen – rein räumlich betrachtet – durchaus nahe liegt. Und doch neu ist: Erstmals haben sich die Schwankhalle und die Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) für ein gemeinsames, interdisziplinäres Programm zusammengefunden: Es heißt „Visiones desde la Memoria“, also: Vision aus der Erinnerung und will einen „weiblichen Blick aus Südamerika“ zeigen.

Das Ganze ist ein kleiner Gegenentwurf zu den, wie die beiden Kuratorinnen Cordelia Dvorák und Hedda Kage sagen, „nationalistischen und männlich dominierten“ Feierlichkeiten zur 200-jährigen Unabhängigkeit Lateinamerikas. Weil die aber schon im vergangenen Jahr gefeiert wurde, kommt das Theater- und Ausstellungsprojekt im Grunde zu spät. „Dafür interessierte sich die Welt nicht“, sagt Kage – 2010 habe niemand daran gedacht, einen anderen als den männlich-heroischen Blick auf die Geschichte zu lenken. Und: „Es sei nicht einfach gewesen, für dieses Projekt ein Haus zu finden“, so Kage.

Im Kern besteht es aus einer Ausstellung der erstmals in Deutschland gezeigten kolumbianischen Künstlerin Clemencia Echeverri und einer als „szenischen Forschungsprojekt“ beschriebenen Performance, die heute in der Schwankhalle uraufgeführt wird. Sie heißt „Menschen füttern verboten – Menschliche Zoos“ und ist eine Arbeit von Manuela Infante aus Chile. Sie thematisiert die gewaltsame Entführung indigener Menschen aus Südamerika, die – im Europa des ausgehenden 19. Jahrhundert – in „ethnologischen Ausstellungen“ vorgeführt wurden – eine Vorform der Reality Shows.

Von Echeverri wiederum sind in erster Linie zwei Video-Installationen zu sehen. Eindrücklich vor allem ist „Treno“ von 2005, die den Betrachter zwischen zwei überdimensionalen Großprojektionen des kolumbianischen Cauca-Flusses stellt. Von Zeit zu Zeit sind Schreie zu hören, werden Kleider aus dem reißenden, anschwellenden Fluss gefischt. In der 15-minütigen Arbeit geht es auf sehr metaphorische Art um das gewaltsame Verschwinden von Menschen. Ergänzt wird sie unter anderem durch 25 Interviews mit Frauen aus der Kultur- und Politikszene.

Aus Sicht der GAK-Direktorin Janneke de Vries übrigens hat die Kooperation durchaus Zukunft: Aus ihrer Sicht haben die im Eingang der Neustadt versammelten Kulturinstitutionen ein ähnliches Potenzial wie die „Kulturmeile“ im Viertel. MNZ

■ „Menschen füttern verboten – Menschliche Zoos“: 19., 21., 22. Oktober, 20.30 Uhr, Schwankhalle

■ Clemencia Echeverri: Bis 6. November in der GAK, Teerhof 21