T-Shirts für die Bilderkäufer

Mit Jugendkulturen flirten und dabei gegenständlich bleiben. Yasha Young und ihre Friedrichshainer Galerie Strychnin

Yasha Young, Leiterin der Galerie Strychnin, und ein Werk von David Stoupakis, „one king’s downfall“, aus der aktuellen Ausstellung, die am Sonntag endet FOTOS: GALERIE STRYCHNIN

VON KITO NEDO

Das Wort „Gothic“ hört die Galeristin Yasha Young nicht gern, wenn es um ihre Strychnin-Galerie geht. „Europäer sehen immer nur Gothic, weil die Bilder dunkel sind, das ist es aber nicht.“ Passender findet sie die Bezeichnung „Pop-Surrealismus“, um die Kunst zu beschreiben, die sie seit zweieinhalb Jahren in einem Ladenlokal an der Boxhagener Straße in Friedrichshain präsentiert.

Tatsächlich hat der Raum, in denen Young die Bilder vorwiegend US-amerikanischer Künstler in Berlin zeigt, nichts Gruftimäßiges: helle Holzdielen, ein thekenartiger Empfang, ein mit rotem Samt bezogenes Canapé, alles ist gut ausgeleuchtet, es gibt keine dunklen Ecken. Das Ambiente unterscheidet sich äußerlich nicht vom standardisierten Galerienflair, wie es in Berlin üblich ist. Und doch ist hier einiges anders als bei einer gewöhnlichen Galerie. Schon der Standort im ruppigen Friedrichshain liegt weit weg von den üblichen Kunst-Quartieren Kreuzberg, Mitte und Charlottenburg, wo sich die kauffreudige Sammlerklientel gerne tummelt. Dort, wo Strychnin sitzt, ist die Umgebung von kleinen Lebensmittelgeschäften, Second-Hand-Modeboutiquen und einer Unmenge von Kneipen, Restaurants und Bars geprägt.

Für Young ist die Lage alles andere als ein Makel, sondern eher eine Konzession an die von ihr vertretenen Künstler und ihr Publikum: „Die Leute, mit denen wir arbeiten, haben oft mit Musik zu tun, die fühlen sich in diesem Umfeld einfach wohl.“ Auch das Preisniveau der von ihr verkauften Werke dürfte sich im unteren Segment des Marktes bewegen; die Spanne reicht von 200 bis 4.000 Euro. Und die Geschäfte laufen gut für Young, die in Island geboren wurde und ihre Kindheit und Jugend am Bodensee verbrachte. Gerade hat sie in einer Seitenstraße der Londoner Brick Lane eine Dependance eröffnet, in New York ist sie schon seit 1998 mit einem Raum in Brooklyn aktiv.

Ursprünglich habe sie viel in der Tattoo-Szene gearbeitet, erzählt die 35-Jährige bei einem Rundgang durch die aktuelle Ausstellung. Die widmet sich den schwarz-weißen Düsternis-Visionen des New Yorker Malers David Stoupakis, dessen Sujets in den schnörkeligen Bilderrahmen den Betrachter an das Personal der Addams Family erinnern. Bei der Arbeit für Tattoomagazine seien die ersten Kontakte entstanden, die sie ermutigt hätten, eine Galerie zu gründen.

Sich ausschließlich in dieser Szene zu verorten, lehnt Young aber ab. Es seien eher vielfältige Einflüsse, zu denen neben der Tattookunst auch Grafik-Design, Comic Art, Illustration, Street Art und Film zählten, die das Profil von Strychnin prägten. Wie zum Beweis holt sie ein kleines lackschwarzes Kästchen herbei, in dem sich wie bei einem Spielkartenset rund drei Dutzend postkartengroße Abbildungen befinden, ein handliches Portfolio aller Künstlerinnen und Künstler, mit denen sie mal mehr, mal weniger fest zusammenarbeitet.

Dort finden sich die quietschbunten Popcollagen des in Paris lebenden Österreichers Chris von Steiner, der es schafft, noch ein bisschen kitschiger als Pierre et Gilles zu sein, neben den Tierskellettpräparaten des Belgiers Raf Veulemans oder den bitterbösen, fotorealistischen Grafiken der in London lebenden Zeichnerin Laurie Lipton. Es mag große Unterschiede im Dargestellten und den zum Einsatz kommenden Techniken geben – eins eint die Bilder der Strychnin-Künstler dann doch: Die Figürlichkeit, so grotesk mutiert sie auch daherkommen mag, bleibt immer gewahrt. Die Moderne und deren Konzept der Abstraktion kommen bei Young nicht vor, und das ist es, was der Friedrichshainer Szenegalerie trotz des heftigen Flirts mit den verschiedenen Jugendkulturen zu einem ziemlich konservativen Ort macht.

Der gemeinsame Nenner ist das handwerklich gut gemachte Bild, auf dem man obendrein noch etwas erkennen kann – und wenn es nur ein kleiner Totenschädel ist, wie er auch im Logo der Galerie präsent ist. Ja, vielleicht sei das sehr konservativ, räumt Young ein, wenn man auf ihre Auswahlkriterien und ihr Programm zu sprechen kommt. Doch ihre Künstler, die oft in den digitalen Studios der Animations-, Gaming- und Filmindustrie arbeiten, um Geld zu verdienen, würden eben gerne malen und ihre eigenen Ideen zu Papier bringen. Innerhalb des Dargestellten herrsche doch eine große Vielfalt. Vielleicht liegt es aber auch an der großen Liebe ihrer amerikanischen Künstler zu den alten Meistern – jede Reise nach Europa sei auch eine Pilgerfahrt durch die hiesigen Museen.

So merkwürdig altbacken manche Bilder in der Galerie wirken mögen, was das Marketing anbelangt, gehört Young ganz sicher zur Avantgarde. Gerade veranstaltet sie mit dem von ihr vertretenen Künstler Brian Horten einen Model-Contest auf der Internet-Sozialplattform Youtube, neben der Galerie vertreibt sie eigene T-Shirts und Klamotten in einem kleinen Modegeschäft, deren Kundschaft sie Fanbasis und die „Bilderkäufer von morgen“ nennt.

Gallery Strychnin Berlin, Boxhagener Straße 36, Friedrichshain, www.strychnin.com