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Archiv-Artikel

Mitreden, obwohl ich keine Ahnung habe

10 schlaue Sätze über Kannibalismus anlässlich des Verdachts, ein Deutscher sei auf einer Südseeinsel aufgegessen worden

„Menschenfleisch schmeckt nicht wie Huhn, sondern wie Schwein.“ (Behauptete in einem Interview zumindest einer, der es wissen muss: Armin Meiwes, besser bekannt als „Der Kannibale von Rotenburg“, weil er 2001 einen Menschen tötete und teilweise aß, der sich dafür per Annonce zur Verfügung gestellt hatte. Laut Meiwes schmeckt Mensch allerdings etwas bitterer als Schwein.)

„Es gibt sogar Menschenfleisch-Rezepte.“ (Zum Beispiel vom deutschen Pharmakologen Johannes Schröder aus dem 17. Jahrhundert. Er empfahl, den frischen Kadaver eines rothaarigen Mannes Mitte 20 mit Myrrhe und Aloe zu besprenkeln und in Weingeist einzulegen.)

„Kinder schmecken besonders gut.“ (Wusste schon die Hexe von Hänsel und Gretel.)

„Im antiken Rom trank man Menschenblut.“ (Und zwar das von frisch verstorbenen Gladiatoren. Bis zum 18. Jahrhundert war medizinischer Kannibalismus in Europa verbreitet – der britische König Charles II. soll sogar täglich eine Essenz aus Menschenhirn eingenommen haben.)

„Die Horrorgeschichten vom Kannibalismus in Südamerika sind übertrieben.“ (Zumindest glauben viele Wissenschaftler heute, dass die indigenen Völker gar nicht so wild auf Menschenfleisch waren, wie es sich in vielen Beschreibungen von Amerikafahrern aus dem 16. Jahrhundert liest. Auch wenn der Begriff „Kannibalismus“ auf die „Caniba“ zurückgeht“, ein westindischer Inselstamm, den Christoph Columbus im November 1492 erstmals erwähnte und als einäugige Menschenfresser beschrieb. Doch Kannibalismus-Gruselgeschichten ließen die Indigenen natürlich viel barbarischer wirken – und die Amerikafahrer noch viel heldenhafter.)

Kannibalismus, das ist so ein deutsches Ding.“ (Angeblich sollen im thüringischen Blinzigsleben archäologische Funde mit 300.000 Jahre alten Belegen für kannibalische Handlungen gefunden worden sein. Auch Wehrmachtssoldaten sollen im Zweiten Weltkrieg Kameraden gegessen haben – belegt sind vor allem Fälle aus Stalingrad.)

„Kannibalismus, das ist so ein Seefahrerding.“ (Das legen zahllose Lieder und Geschichten nahe. Tatsächlich essen auch Landratten sich in Notsituationen auf – von amerikanischen Pionieren im bitterkalten Winter 1846 in der Sierra Nevada bis hin zu Überlebenden eines Flugzeugabsturzes 1972 in den Anden.)

„Bei Tieren ist das normal.“ (Vögel fressen ihre Jungen, weibliche Spinnen ausgediente Sexualpartner, Löwenmännchen die Nachkommen ihres Rivalen – ganz zu schweigen von Fischen und Waranen.)

„Kannibalismus ist Kunst.“ (Zumindest laut dem Anthropophagischen Manifest von 1928. Danach haben sich die Brasilianer die europäische Kultur einverleibt, verdaut und als brasilianische Kunst wieder ausgeschieden. Auch der spanische Künstler Goya malte Kannibalismus („Saturn verschlingt seinen Sohn“).

„Es ist doch absurd zu glauben, dass dieser deutsche Weltumsegler auf Nuku Hiva von Kannibalen gegessen wurde.“ (Sagt der zuständige Staatsanwalt José Thorel. Eine DNA-Analyse soll Gewissheit bringen.)

■ Meike Laaff kennt sich eigentlich mit Zombies besser aus