HUXLEYS NEUE WELT : Für den Frieden
Mit acht hörte ich die Pat-Boone-Singles meiner Mutter. Damals wusste ich noch nicht, wer Eddie Cochran, Chuck Berry, Jerry Lee Lewis und Elvis Presly sind. Ungefähr zwanzig Jahre später sah ich eine Heavy-Metal-Doku, die davon handelte, wie Pat Boone, der christliche Saubermann des amerikanischen Pop, seine Lieblings-Metal-Songs mit großem Orchester neu einspielte. Einige Metaller kamen darin zu Wort, unter ihnen Lemmy Kilmister von Motörhead, der ein Eisernes Kreuz trägt. Er sagte, die Musik seiner Band sei der Soundtrack zum zwanzigsten Jahrhundert, dem Zeitalter der Massenvernichtung.
Am Dienstagabend gehe ich in Huxleys Neue Welt, um Head Cat zu sehen, Lemmys neue Band, die Rock-’n’-Roll-Klassiker spielt. Das Publikum trägt Rockabilly-Style und Tolle, aber auch ein paar langhaarige Frauen und Männer sind da. Lemmy, Jahrgang 1945, mit schwarz gefärbtem Backenbart, engen Jeans und knackigem Arsch, hämmert den Bass und singt. Stray-Cats-Drummer Slim Jim Phantom trommelt im Stehen. Danny B. Harvey spielt Gitarre. Für Rock ’n’ Roll braucht man nicht mehr als drei.
Die drei älteren Herren haben ein Gefühl für den Rhythmus. Sie machen ihren Job mehr als gut, schwarze Musik für ein weißes Publikum zu spielen. Musik, die Körperpanzer platzen lässt und keine andere Botschaft hat, als die, dass Vögeln und Saufen dem Bombenwerfen vorzuziehen ist. Das erinnert mich an die Frau, die jahrelang vor der Gedächtniskirche saß, vor ihr ein selbst gemaltes Schild mit der Aufschrift „Ficken für den Frieden“. Die Leute haben ihren Spaß, trinken Bier, sind höflich und tragen Motörhead-T-Shirts in allen denkbaren Variationen zur Schau. Als ich grade am Gehen bin, glücklich und zufrieden, hab ich wieder eines vor der Nase. Darauf steht in gothischen Lettern: „Ein Volk, ein Reich, ein Lemmy“. ULRICH GUTMAIR