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Archiv-Artikel

Der große Schweiger

EDATHY Weil die Staatsanwaltschaft die Einleitung von Ermittlungen prüft, verweigert der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann jetzt die Aussage

„Ich berufe mich auf mein Zeugnisverweigerungsrecht“

MICHAEL HARTMANN, SPD

AUS BERLIN TOBIAS SCHULZE

Der Zeuge sagt nicht aus. Michael Hartmann könnte die ganze Angelegenheit aufklären; könnte verraten, ob er Sebastian Edathy vor drohenden Ermittlungen warnte und ob er den Auftrag dafür aus der SPD-Spitze erhalten hatte. Aber er sagt einfach nicht aus. „Ich berufe mich auf mein Zeugnisverweigerungsrecht“, antwortet er nur auf die Fragen des Ausschusses, einmal, zweimal, dann greift sein Anwalt ein und auch er macht klar: Von Hartmann gibt es keine Aussage.

Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses hatten gespannt auf den Auftritt des SPD-Abgeordneten gewartet. Er soll seinen damaligen Fraktionskollegen Edathy im November 2013 gewarnt haben, dass er auf einer BKA-Liste mutmaßlicher Kinderporno-Konsumenten stehe. Edathy selbst hatte das behauptet, etliche Zeugen untermauerten die Version zuletzt. Hartmann, der bis dato alles dementiert hatte, sollte nun für Aufklärung sorgen.

Aber kurz vor seinem geplanten Auftritt ging um 15.38 Uhr im Sekretariat des Untersuchungsausschusses ein Fax ein. Handschriftlicher Vermerk: „Eilt! Bitte sofort vorlegen!“ In dem Schreiben teilen Hartmanns Anwälte mit, dass ihr Mandant nicht aussagen werde. Die Staatsanwaltschaft, das geht aus einem Schreiben im Anhang hervor, prüft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Strafvereitelung gegen den Abgeordneten. Deswegen stehe ihm das Recht zu, die Aussage zu verweigern.

„Das ist ein Affront“, sagte Armin Schuster (CDU), nachdem er von dem Fax erfahren hatte. Mit der Einschätzung war er nicht alleine. Einstimmig beschloss der Ausschuss, dass Hartmann zumindest im Saal zu erscheinen habe.

Der Aufforderung folgte der Zeuge zwar. Aber bis zum Ende der Sitzung blieb er dabei, konsequent die Aussage zu verweigern. Und damit war er womöglich gut beraten.

Am Nachmittag war der Druck auf ihn noch einmal gewachsen. Als das Fax der Hartmann-Anwälte den Ausschuss erreichte, sagte vor dem Gremium gerade Christian Noll aus, der Anwalt von Edathy. Sein Mandant selbst hatte ihn als Zeugen vorgeschlagen und ihn von der Schweigepflicht entbunden. Vor dem Ausschuss bestätigte Noll die Version des Ex-Abgeordneten und anderer Zeugen. Ende November 2013 sei Edathy in seine Kanzlei gekommen und habe berichtet, dass Ermittlungen gegen ihn drohen. Er habe aus Reihen der SPD-Fraktion erfahren, dass er auf einer entsprechenden Liste des Bundeskriminalamts stehe. „Herr Edathy nannte in dem Zusammenhang den Namen Hartmann“, sagte Noll.

Dass der Verteidiger lügt, ist unwahrscheinlich, denn durch eine Falschaussage würde er seine Anwaltszulassung gefährden. Vor der Aussage von Hartmann am späten Nachmittag stand damit so gut wie fest, dass dieser Edathy tatsächlich vorgewarnt hatte. Zwei Fragen blieben zunächst aber offen: woher Hartmann selbst seine Informationen erhalten hatte – und ob er vielleicht wirklich im Auftrag der SPD-Spitze handelte.