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Recherchieren unerwünscht

„Keine Fragen zur Familienpolitik“: Der NDR verweigert journalistisches Nachhaken bei der Präsentation seines neuen Moderators Yared Dibaba. Dibaba dürfe öffentlich nicht mit seiner Vorgängerin in Verbindung gebracht werden

Es war sicher ein PR-Coup vom NDR, ausgerechnet Yared Dibaba als Nachfolger von Eva Herman für die Talkshow zu präsentieren, die mittlerweile „Talk mit Tietjen“ heißt. Ein Coup, weil Dibaba 1968 in Äthiopien geboren wurde, weil er zudem noch perfekt plattdeutsch spricht, da er mit zehn Jahren in die Gegend um Oldenburg zog.

Ein Coup, weil Hermann vom Sender gefeuert worden war, nachdem sie sich über familiäre Werte und Nationalsozialismus geäußert hatte. Öffentlich hatte sie erklärt, dass „Werte wie Familie, Kinder und das Mutterdasein, die auch im Dritten Reich gefördert wurden, anschließend durch die 68er abgeschafft wurden“.

Mittlerweile betont die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Herman, sie sei „verfälscht und sinnentstellt“ zitiert worden. Aber der Talk-Job ist weg. Umso professioneller ihr Nachfolger Dibaba, der zunächst bis Ende des Jahres „Gastmoderator“ im Talkformat ist.

Entspannt posiert er beim Pressetermin am Montag in Hannover mit Bettina Tietjen vor Fotografen, locker antwortet er beim Einzelinterview auf Fragen. Wie er sich als Moderator auf Probe fühle? „Das ist ein bisschen so wie die Nominierung für den ersten Einsatz beim Fußball: Man will natürlich ein Tor schießen und den Sieg nach Hause holen.“ Das provokante Nachhaken, ob er nach all den Tumulten um Herman der „Quoten-Schwarze“ des NDR sei, wehrt Dibaba gelassen als „Beleidigung“ ab. Er sei beim NDR, weil er ein guter Moderator sei, „nicht aber wegen meiner Hautfarbe“. Dibaba, der schon für den NDR „Die Welt op Platt“ moderiert, beteuert, er sei bereits für eine neue Sendung beim NDR im Gespräch gewesen. „Nun“, sagt Dibaba, „hat sich das Karussel gedreht. Das war für mich die Gelegenheit.“ Über Herman will er sich als guter Kollege nicht öffentlich äußern. Über ihre Statements darf sich der Vater von zwei Kindern nicht äußern. „Keine Fragen zur Familienpolitik“, unterbricht Ralf Quibeldey das freundliche Gespräch mit Dibaba unsanft. Der neue Moderator dürfe in der Öffentlichkeit nicht mit seiner Vorgängerin in Verbindung gebracht werden, sagt der Mann erregt, der neuer „Leiter Talk und Unterhaltung“ beim NDR ist.

Der Sender, der sonst so viel auf seine journalistische Unabhängigkeit gibt, hält sich selber offenbar nicht an die simpelsten Spielregeln des Gewerbes. Dumme Fragen gibt es nicht, lautet eine der ältesten Regeln. KAI SCHÖNEBERG

„Talk mit Tietjen“, Freitag, 12. 10., 22 Uhr im NDR

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