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Archiv-Artikel

Hoffen auf die Staatsanwälte

EDATHY Weil der wichtigste Zeuge schweigt, steckt der Untersuchungsausschuss in der Sackgasse

BERLIN taz | Am Tag nach seiner Aussageverweigerung im Untersuchungsausschuss fordern Oppositionspolitiker den SPD-Abgeordneten Michael Hartmann auf, sein Mandat niederzulegen. „Er hat nicht nur sich selbst und der SPD geschadet. Das Vertrauen in die Politik ist beschädigt. Der Bürger sagt: Da wird gemauschelt und vertuscht“, sagte Frank Tempel (Linke) im „ZDF-Morgenmagazin“. Ausschussvorsitzende Eva Högl (SPD) schloss sich der Rücktrittsforderung nicht an. „Die Frage stellt sich nicht. Das muss Michael Hartmann selbst beantworten“, sagte sie im Deutschlandfunk.

Mehrere Zeugen hatten Hartmann vorgeworfen, seinen damaligen Fraktionskollegen Sebastian Edathy vor drohenden Kinderporno-Ermittlungen gewarnt zu haben. Hartmann bestritt dies zunächst. Als der Ausschuss ihn am Donnerstag erneut vernehmen wollte, verweigerte er dann die Aussage. Begründung: Die Staatsanwaltschaft prüft, ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung gegen ihn einzuleiten. Zudem drohen Ermittlungen wegen Falschaussage.

Der Untersuchungsausschuss steckt nun in einer Sackgasse. Solange Hartmann schweigt, können die Abgeordneten kaum aufklären, ob er Edathy tatsächlich vorwarnte und ob ihn dazu jemand angestiftet hatte, die Fraktionsspitze der SPD zum Beispiel.

Wie trotzdem Licht ins Dunkel kommt? Falls die Staatsanwaltschaft wirklich ein Verfahren gegen Hartmann eröffnet, könnte sie auf neue Erkenntnisse stoßen. Die Behörden haben schließlich mehr Ermittlungsmöglichkeiten als die Abgeordneten im Ausschuss. Zudem müsste sie vor einem Verfahren beantragen, Hartmanns Abgeordnetenimmunität aufzuheben. Der politische Druck auf die SPD, ihn aus der Fraktion auszuschließen, würde dann steigen. Wenn sie Hartmann fallen lässt, könnte er aber umdenken und beschließen, mögliche Mitwisser in der Partei nicht länger zu decken.

Der Untersuchungsausschuss selbst befasst sich derweil mit einem anderen Komplex. In seiner nächsten Sitzung vernimmt er Zeugen aus dem BKA; mit Edathy und seinen Hinweisgebern haben sie nur indirekt zu tun. Einen Antrag der Opposition haben Union und SPD abgelehnt: Sie wollte als nächstes die SPD-Spitze vorladen. TOBIAS SCHULZE