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Archiv-Artikel

Ärger über „Merkozy“

BRÜSSEL Das Durcheinander bei der Eurorettung sorgt bei EU-Politikern für Hohn und Spott. Sie sprechen von Dilettantismus, Desaster und Unvermögen

Das Chaos bei der Vorbereitung des Eurorettungplans sorgt in Brüssel für Ärger und Spott. „Die Außenwirkung ist desaströs“, sagte der Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker. „Wir geben hier nicht ein eklatantes Beispiel geordneter Staatsführung.“ Von einem „Gipfel des Dilenttantismus“ sprach der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann. Es sei „ein trauriges Eingeständnis von Unvermögen und ein verheerendes Signal“, wenn man sich trotz wochenlanger Vorbereitung nicht auf einen gemeinsamen Plan einigen könne.

Für Verärgerung sorgt nicht nur, dass Deutschland und Frankreich über Kreuz liegen und einen zweiten Eurogipfel am Mittwoch angesetzt haben. Auch der deutsch-französische Führungsanspruch wird zunehmend kritisch gesehen. „Wieso denkt man eigentlich, es reichte, dass sich Deutschland und Frankreich einigen?“, sagte Juncker. „Wir haben es mit 17 Regierungen, mit 17 Staaten, mit 17 Ländern, mit 17 Parlamenten zu tun.“ Es gebe nicht nur in Berlin ein Parlament, das bei den Euro-Beschlüssen mitreden wolle.

Ähnlich äußerte sich der frühere EU-Kommissionschef Jacques Delors. Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Sarkozy hätten noch nicht einmal die Ergebnisse des letzten Eurorettungsgipfels Ende Juli umgesetzt, kritisierte er in der französischen Tageszeitung Le Monde. Nun versuchten sie erneut, „Poker“ zu spielen und die Europäer zu bluffen. Doch die Neigung, „Merkozy“ zu folgen, nehme ab, so Delors.

Seit dem deutsch-französischen Treffen in Deauville vor einem Jahr wächst die Kritik. Merkel denke nur an die Innenpolitik und Sarkozy an die französischen Banken, heißt es. Eine Alternative zum deutsch-französischen Gespann ist jedoch nicht in Sicht. ERIC BONSE