Filmisches Trickkästchen

ICH-GRENZEN In „Queen of Earth“ scheint Regisseur Alex Ross Perry das Sujet „Frau“ zu verarbeiten (Forum)

VON CAROLIN WEIDNER

Da steht Alex Ross Perry vor seinem Publikum im großen Saal des CineStar am Potsdamer Platz und wirkt ein bisschen wie ein kleiner Bruder Jason Schwartzmans, der dazu neigt, viele Witze zu machen, von denen ein paar richtig gut sind und andere richtig schlecht (und deswegen wiederum gut). Sein Film „Queen of Earth“ hat eine sonderbare Stimmung hinterlassen. Teile des Publikums scheinen stark angetan, andere unschlüssig, ob das jetzt wirklich „etwas ganz Großes“ gewesen ist oder doch „nur“ ein sehr fein austariertes filmisches Trickkästchen.

Es fängt schon mit diesen filigranen pinken Schriftzügen an, die einen bestimmten Zeitraum vorgaukeln. Sie scheinen eine Woche zu umspannen, „Queen of Earth“ beginnt an einem „Samstag“ und schließt an einem „Samstag“ auch wieder. Tatsächlich hat man es aber wohl mit zwei Jahren zu tun, vielleicht auch mit mehr. Jedenfalls schieben sich verschiedene Aufenthalte in einem Ferienhaus, mitten im Wald gelegen, ziemlich schick und verlassen, im Laufe des Films ineinander. Und nicht nur hier gibt es Unsicherheiten ob der Festlegung etwaiger Grenzen. Die beiden Ferienhaus-Besucherinnen, Catherine (von der ersten dramatischen Heulszene an stark: Elisabeth Moss) und Virginia (Katherine Waterston), zwei Freundinnen, die sich seit Ewigkeiten im eigenen Fluidum bewegen (und Schwierigkeiten mit der Integration Dritter haben), geraten mehr und mehr in einen Bereich, in dem nicht mehr klar zu unterscheiden ist, in welchem Verhältnis die beiden Frauen eigentlich stehen. Ich-Grenzen heben sich auf, Erlebnisse aus der Vergangenheit überlappen und spiegeln sich gegenseitig, Catherines Handlungen haben einen Effekt auf Virginia, der auf merkwürdige Weise wieder an Catherines weitergegeben wird.

Man denkt da natürlich an Bergmans „Persona“, obwohl Alex Ross Perrys Studie einer psychotischen Frauenfreundschaft vielmehr an ein Genre-Kino anschließt, das Reminiszenzen an Polanski oder auch De Palma wachruft. Polanski nennt Perry im anschließenden Gespräch mit dem Publikum auch gleich als einen seiner persönlichen Helden, und genauso ergeht es Kameramann Sean Price Williams, der wirklich ganze Arbeit geleistet hat und zahlreiche bedrückend schöne Aufnahmen, alle im Format Super-16mm, vorlegt. Irgendetwas stört dennoch.

An einer Stelle gibt es einen Hinweis auf Perrys früheres Filmschaffen: „Queen of Earth“-Virginia liest in einem fiktiven Roman Ike Zimmermans, „Woman & Madness“, und Zimmerman wiederum war das literarische Vorbild von Philip im 2014er Film „Listen Up Philip“ (interessanterweise gespielt von Jason Schwartzman). Hier konnte sich Perry mühelos an einem egozentrischen Jungschriftsteller in der Krise abarbeiten, was ein bisschen düster war, vor allem aber lustig. „Queen of Earth“ nun scheint seinen Ursprung weniger im Verständnis des Regisseurs für seine Protagonisten zu haben, als vielmehr der Versuch einer Verarbeitung des Sujets „Frau“ zu sein. Das mündet dann in einwandfrei umgesetztem Horror, bleibt aber leider auch etwas in der eigenen Fragezeichen-Zone Perrys hängen.

■ Heute, Colosseum 1, 20 Uhr; 15. 2., CineStar 8, 22 Uhr