: Täterin und Opfer
PROZESS Eine psychisch kranke Mutter muss sich wegen der Tötung ihrer beiden Töchter vor dem Stader Landgericht verantworten. Nach Auffassung des Gerichts ist sie schuldunfähig – und suizidgefährdet
Petra Kersten (Name geändert) verzieht ihr hochrotes Gesicht, die Augen geschlossen, als der Staatsanwalt vorliest, was ihr zur Last gelegt wird. Sie soll in einer akuten psychotischen Störung ihren zwei Töchtern, drei und fünf Jahre alt, im Juni dieses Jahres zuerst eine Überdosis Schlafmittel verabreicht und sie im Anschluss getötet haben. Mit dem Gürtel eines Bademantels soll sie beide gewürgt und dann mit einem Messer auf sie eingestochen haben. Der Körper der älteren Tochter wies laut Obduktion 36 Stech- und Schnittverletzungen auf, der der jüngeren 26.
Kersten ist Beschuldigte in einem Sicherungsverfahren am Landgericht Stade, dem sich wohl die dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anschließen wird, in dem sie derzeit bereits ist. Staatsanwalt und Verteidiger gehen davon aus, dass sie zur Tatzeit schuldunfähig war. Sie war wegen Verfolgungswahns, Depressionen und Angstzuständen in Behandlung.
Ihre Vernehmung am Montag findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, da sie dann, so ihr anwesender Arzt, „umfassender aussagen“ könne. Aufschlussreich im Prozess ist vor allem die Zeugenaussage einer langjährigen engen Freundin. Beide sollen Mitglied einer esoterischen Glaubensgemeinschaft sein, der sogenannten Essener. Kersten soll laut Freundin seherische Fähigkeiten haben, und vor allem Engel sehen können. „Aber sie hat nie etwas Negatives gesehen.“ Die Kinder seien ihr Ein und Alles gewesen, nicht einmal einen Klaps auf den Po hätte es gegeben. Nach der Tatnacht hatte Kersten ausgesagt, eine riesige „Flammenwand“ hätte sie zu der Tötung ihrer Kinder getrieben.
„Man kann sagen, dass meine Mandantin Täter und Opfer zugleich ist“, sagte ihr Verteidiger in einer Vernehmungspause. Da sie akut suizidgefährdet ist, hat das Gericht sie von der Anwesenheit an den Zeugenvernehmungen freigestellt. Ob sie überhaupt noch vor Gericht erscheinen muss, ist unklar. EMS