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Archiv-Artikel

Altlasten am Spielbein

FUSSBALL Trotz aller Konsolidierungsversuche droht Fußball-Oberligist Türkiyemspor die Insolvenz

Die Finanzkrise schien beendet. Ende 2010 hatte Türkiyemspor, der Oberligist aus Kreuzberg, Besserung gelobt: Das Schuldenmachen sollte ein Ende haben. Finanzpläne sollten erstellt, Investoren angelockt werden. Aber am vergangenen Sonntag beriet die Vereinsspitze erneut über den Schuldenberg, und ein Insider berichtet von einem Treffen bei einem Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Insolvenzrecht. Steht Türkiyemspor vor der Pleite?

„Es ist alles offen“, antwortet Yalcin Sancar, seit Februar 2011 Vorsitzender des Vereins. Der im Sommer angeheuerte Trainer Marco Gebhardt musste schon wieder die Koffer packen, weil man sich sein Gehalt nicht mehr leisten konnte. Cemal Can, bisher sportlicher Leiter, übernimmt die undankbare Aufgabe, eine verunsicherte Mannschaft durch die Oberliga zu steuern.

„Die laufenden Kosten können gedeckt werden, aber die Altschulden erdrücken uns“, berichtet Sancar. Angeblich tauchten immer wieder Forderungen aus der Vergangenheit auf. „Man kann nicht in die Zukunft blicken, wenn man Altlasten mit sich herumschleppt“, klagt der Türkiyemspor-Chef, der die Schulden auf 350.000 Euro beziffert. Nun will man retten, was womöglich gar nicht mehr zu retten ist. Türkiyemspor, heißt es, wolle die Saison zu Ende spielen. Aber wie reagiert der Nordostdeutsche Fußballverband, sollte tatsächlich ein Insolvenzantrag gestellt werden?

Aus dem Koma erwacht?

Noch vor Jahresfrist schien der Schrecken, den jahrelange Misswirtschaft produziert hatte, in ein Happyend zu münden. Als die damalige Aufsichtsratsvorsitzende Süreyya Inal angesichts von gut 600.000 Euro Verbindlichkeiten gedroht hatte, Türkiyemspor werde „einen Insolvenzantrag stellen, wenn sich nichts ändert“, erklärten ehemalige Funktionäre nach einer dramatischen Sitzung in den Räumen der BVV Kreuzberg, auf Forderungen in Höhe von 300.000 Euro zu verzichten. „Wir lagen im Koma und sind wieder aufgewacht“, sagte Aufsichtsratsmitglied Mehmet Matur nach dem Verhandlungsmarathon.

Ein Jahr später droht der Patient ins Koma zurückzufallen. Angeblich sollen sich nicht mehr alle Gläubiger an die Verzichtserklärung halten. „Eins ist klar: Türkiyem wird weiter existieren“, sagt Vereinschef Sancar. Wie und in welcher Form, das weiß er auch noch nicht. JÜRGEN SCHULZ