: Aus der Rotte auf den Einzelnen
ESKALATION Die Celler Ausschreitungen im Oktober landen vor Gericht: In Lüneburg wird ein Jeside wegen gefährlicher Körperverletzung und illegalen Waffenbesitzes zu drei Jahren Haft veurteilt
Im Prozess wegen Krawallen zwischen jesidischen Kurden und muslimischen Tschetschenen in Celle hat das Landgericht Lüneburg einen 31-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung und illegalen Waffenbesitzes zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Jesiden sollen bärtige Muslime für Salafisten gehalten haben und davon ausgegangen sein, diese billigten die Taten der Terrormiliz Islamischer Staat. Angeheizt durch die blutigen Konflikte in Syrien und dem Irak gerieten in Celle Anfang Oktober mehrere hundert Menschen aneinander.
Vor Gericht räumte der angeklagte Deutsche mit kurdischen Wurzeln ein, einen 52-jährigen Tschetschenen mit einem Teleskopschlagstock attackiert zu haben. Er habe aber den Mann nicht töten wollen. Zunächst hatte der 31-Jährige sich auch wegen versuchten Totschlags verantworten müssen. Das bereits wehrlos am Boden liegende Opfer erlitt bei dem Schlag eine Platzwunde am Kopf. Zuvor hatten andere Jesiden auf den Mann eingeschlagen, dieser erlitt eine Gesichtsfraktur, einen Armbruch und gebrochene Rippen.
Es sei besonders verwerflich, sich mit einer „Rotte“ auf eine Minderheit zu stürzen – und das im Beisein der Polizei, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Wolter. Die Angreifer hätten dabei „null Respekt“ vor den BeamtInnen gezeigt, die einzuschreiten versucht hätten. Die Anklage hatte Videoaufnahmen von Anwohnern und DNA-Spuren am Schlagstock ins Feld führen können. Bei einer Hausdurchsuchung waren zudem eine Pistole und Munition bei dem Angeklagten gefunden worden.
Mit dem Strafmaß ging die Kammer vier Monate über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Der Verteidiger hatte auf eine Bewährungsstrafe von höchstens 18 Monaten plädiert und will eine Revision prüfen.
Am Montag hatte das Amtsgericht Celle einen 50-jährigen Jesiden wegen schwerer Körperverletzung zu 28 Monaten Haft verurteilt. Ein weiterer Mann soll in den kommenden Wochen vor Gericht kommen. Zusätzliche Anklagen wegen der Krawalle seien nicht ausgeschlossen, hieß es bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg. (dpa)