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Archiv-Artikel

Die böse Fee im Reich von Kurt Beck?

Der Gedanke scheint absurd, aber er spukt dieser Tage in vielen Köpfen herum. Andrea Nahles, 37 Jahre alt, soll Kurt Beck die Idee mit dem verlängerten Arbeitslosengeld eingeflüstert haben. Nicht der Parteivorsitzende also, sondern sie, die linke Frontfrau, soll dafür verantwortlich sein, dass die SPD erbittert über ihre Führung, ihren Vizekanzler Franz Müntefering, ihren Kurs, ihre Agenda 2010, ihre Identität streitet. Andrea Nahles – die böse Fee im sozialdemokratischen Reich des Kurt Beck?

Hinter diesem Verdacht steckt ein doppeltes Missverständnis. Beck ist kein Depp aus der Provinz, er lässt sich nicht fernsteuern. Und Nahles hat längst nicht, wie ihr manche andichten, die Macht, alles in Schutt und Asche zu legen.

Die Frau hat jedoch einiges, was offenbar die politische Fantasie anregt: Ehrgeiz, Talent, Temperament, Kompetenz, Machtbewusstsein. Nicht von ungefähr wird sie auf dem Parteitag Ende Oktober zur stellvertretenden SPD-Vorsitzenden gewählt. Das kann man getrost als Überraschung bezeichnen. In ihrer Partei herrschen sonst nur Männer, und selbst mit 49 Jahren gilt man gemeinhin noch als SPD-Nachwuchstalent.

Nahles’ Weg nach oben war nicht frei von Hindernissen, enttäuschter Liebe, gebrochenen Loyalitäten. Als Juso-Chefin ist sie glühende Anhängerin des damaligen Parteichefs Oskar Lafontaine. Dessen Flucht enttäuscht sie tief. Ihr neuer Förderer wird Franz Müntefering. Er hält sie für eine der größten Begabungen der SPD. Jahre später wird sie allerdings Münteferings Rückzug vom Amt des Parteichefs provozieren. Sie kandidiert 2005 gegen seinen Willen als Generalsekretärin, wird gewählt – und Müntefering tritt zurück. Vielen in der Partei gilt sie als „Königsmörderin“.

Andrea Nahles zieht sich daraufhin zurück. Das Angebot des neuen Parteichefs Matthias Platzeck, seine Stellvertreterin zu werden, lehnt sie ab. Sie profiliert sich als Sozialexpertin. Erst mit Kurt Beck steigen ihre Chancen in der Partei wieder.

Beck und Nahles kennen sich lange, beide kommen aus Rheinland-Pfalz. Früher waren sie politische Gegner, weil Nahles 1995 als Juso-Vorsitzende am Sturz von SPD-Chef Rudolf Scharping mitgewirkt hatte. Mit den Jahren bessert sich ihr Verhältnis. 2005 setzt Beck durch, dass Nahles in Rheinland-Pfalz einen sicheren Listenplatz zur Bundestagswahl bekommt. Als er 2006 SPD-Chef wird, fördert er sie weiter. Er schlägt sie als Parteivize vor.

Aus diesem Stoff sind die Nahles-Legenden. Viele glauben daran. Selbst Müntefering denkt, dass hinter Becks Idee mit dem Arbeitslosengeld nur eine einzige steckt: Andrea Nahles. JENS KÖNIG