: „Wir brauchen drei Millionen“
GELD UND LIEBE Science-Fiction mit Peseten: Spaniens Suche nach sich selbst verhandeln die Filme „Sueñan los androides“ und „Der Geldkomplex“ sehr unterhaltsam (Forum)
VON CAROLIN WEIDNER
Das Spanien, in dem heute Filme gemacht werden, geht auf Distanz zu sich selbst. Oder es geht Umwege und fängt sich dabei vielleicht selbst wieder ein. Ein Film der diesjährigen Berlinale, „Sueñan los androides“ („Android Dream“), unter der Regie von Ion de Sosa entstanden, macht einen ganz besonders großen Umweg. Fast vierzig Jahre in die Zukunft springt er, bis 2052. Die Menschen teilen sich das Leben in den hochgewachsenen Städten (die aber trotzdem nicht so futuristisch aussehen, wie man es sich gerne vorstellen möchte, sondern eher wie 70er-Jahre-Hochhäuser) nun mit Androiden. Manchmal haben beide auch Sex miteinander, und einmal sagt ein Androide im Film, dies sei besonders gut.
Davon abgesehen wird viel geschossen. Und Sehnsucht nach Tieren spielt eine Rolle. Von denen gibt es nämlich nicht mehr viele, weswegen für Hund und Katze zwischen ein und zwei Millionen Peseten hingelegt werden müssen. Ein Schaf, ein ganz besonders seltenes Tier, bringt es gar auf 4,5 Millionen.
Interessant ist natürlich der Sachverhalt, dass in de Sosas Spanien die Pesete zurückkehrt. Vielleicht auch nie fort gewesen ist. „Sueñan los androides“, experimental-dokumentarisch-16-mm-Science-Fiction, ist angelehnt an den Roman „Do Androids Dream of Electric Sheep?“ des US-amerikanischen Schriftstellers Philip K. Dick von 1968. Dicks Buch war aber auch Material, auf dessen Grundlage Ridley Scott 1982 den dystopischen Herzensbrecher „Blade Runner“ erschuf. Tatsächlich kann man in „Sueñan los androides“ leicht ein paar Szenen ausmachen, die an Scotts Roman-Version erinnern. Es sind diese steifen Verfolgungsjagden durch verrumpelte Wohnungen, Ganzkörperanzüge und die gerade durchgestreckten Arme beim Abschuss.
„Sueñan los androides“ überzeugt aber mit einem ganz eigenen Charme. Immer wieder ist die „Handlung“ von Standbildern durchsetzt, die (alte) Menschen inmitten ihrer persönlichen Einrichtung zeigen. Einige Engtanz-Momente bei schummrig-bunter Beleuchtung gibt es auch. Und die vielen Bilder der anonymen Stadt – sie wirken, als hätte man es mit einem Ansichtskarten-Leporello von Lloret de Mar zu tun, das schon viel zu lange an der Wand hängt – sind großartig. Diese Aufnahmen treten in einen sonderbaren Dialog mit der irgendwie nicht ernstzunehmenden, aber doch gewaltsamen Narration. Ion de Sosas Trip ist nach einer knappen Stunde leider schon zu Ende.
Lebenskünstler in der Finca
Wie „Sueñan los androides“ basiert auch „Der Geldkomplex“ von Juan Rodrigáñez auf Literatur, Franziska zu Reventlows gleichnamigen anarchistischen Roman von 1916. „Der Geldkomplex“ teilt aber noch eine andere Gemeinsamkeit mit de Sosas Film: Beide sind eine deutsch-spanische Koproduktion.
Gleich die ersten Worte des Films kommen in gebrochenem, aber doch verständlichem Deutsch aus Domingos Mund. Sie lauten: „Wir brauchen drei Millionen. Sofort.“ Dann macht sich Domingo auf den Weg nach Düsseldorf, zu Herrn Müller, um hoffentlich bald mit den Millionen (Euro) in die steinerne Finca nach Südspanien zurückzukehren. Ob Domingos Mission erfolgreich ist, das wird im Film nicht verraten, aber immerhin kommt ein postalischer Zwischenbericht von Domingo, in welchem er das deutsche Organisationstalent lobt und befindet, dass sich Spanien davon noch einiges abschauen könnte. Domingo bemerkt aber auch, dass er etwas friert. Damit hat er definitiv ein härteres Los gezogen als seine Freunde, die in der Finca verblieben sind.
Eine Ansammlung von Lebenskünstlern, die sich über Freundschaft und Liebe unterhalten, auf Baumhäusern lungern, Golf spielen oder mit Reis eine Swastika in die Paella malen. Zwischendrin werden zur Genüge Weisheiten ausgetauscht, gerne auch in Form von schriftlichen Notizen. Zum Beispiel diese: „Es sind nur zwei Dinge, die einem dieses Gefühl von Daseinsberechtigung geben: Geld und Liebe … Und tröstet euch mit dem einem, wenn das andere fehlt.“
■ „Sueñan los androides“. 14. 2., CineStar 8, 16.30 Uhr
■ „Der Geldkomplex“. 12. 2., CineStar 8, 16.45 Uhr; 13. 2., Akademie der Künste, 16.30 Uhr; 13. 2., Delphi, 14 Uhr