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Archiv-Artikel

Tsipras fährt gestärkt zum EU-Gipfel

GRIECHENLAND Das Parlament in Athen spricht dem neuen Regierungschef sein Vertrauen aus. Verhandlungen über Schuldendienst schwierig. OECD schließt Vereinbarung mit Regierung

AUS ATHEN JANNIS PAPADIMITRIOU

Vor dem Sondertreffen der Euro-Finanzminister zum Schuldenstreit hat das griechische Parlament dem neuen Regierungschef Alexis Tsipras das Vertrauen ausgesprochen. Mit den Stimmen der Regierungskoalition sicherte sich der Chef der Linkspartei Syriza in der Nacht zum Mittwoch Unterstützung für seinen Kurs, die bisherige Spar- und Reformpolitik zu beenden.

Für Tsipras stimmten 162 von insgesamt 299 Volksvertretern. Diese Zahl entspricht genau der Regierungsmehrheit aus Syriza mit 149 Abgeordneten und den Unabhängigen Griechen, Juniorpartner der Koalition, die auf 13 Sitze kommt. 137 Abgeordnete der Opposition stimmten gegen Tsipras. Der Chef der rechtsextremen Partei Goldene Morgenröte, Nikolaos Michaloliakos, glänzte durch Abwesenheit.

Das Ergebnis der Parlamentsabstimmung in Athen sei durchaus ein Vertrauensvotum für eine hochriskante Verhandlung mit den EU-Partnern, glaubt die Athener Tageszeitung Kathimerini. Ministerpräsident Tsipras hatte erklärt, sein Ziel sei eine politische Lösung innerhalb der europäischen Institutionen, aber unter Berücksichtigung einer Absprache der Euro-Finanzminister vom November 2012. Danach hätten die EU-Partner versichert, Athen weiter entgegenzukommen, falls das Defizit im griechischen Staatshaushalt abgebaut und ein Primärüberschuss (ein Plus ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen) erreicht würde. Griechenland verlange kein neues Geld, sondern „technische Erleichterungen“ bei der Regelung seines Schuldendienstes, so Tsipras.

Der abgewählte Premier Antonis Samaras warf der Regierung Tsipras im besten Schiffsgriechisch vor, „Kurs auf die Felsen“ zu nehmen. „Sie werden das Unmögliche schaffen: dass der Norden und der Süden Europas gemeinsam gegen Griechenland vorgehen“, donnerte der konservative Oppositionschef. Der neue Ministerpräsident reagierte ebenfalls mit einem Hauch von Ironie: Samaras’ Rede sollte man an US-Präsident Barack Obama weiterleiten, damit er endlich versteht, was Angela Merkel eigentlich will.

Beim Sondertreffen der Euro-Finanzminister am Mittwochabend in Brüssel wollte die griechische Regierung darlegen, wie sie sich die künftige Unterstützung der europäischen Partner vorstellt. Athen hofft auf deutliche Erleichterungen bei den bisherigen Sparauflagen und will einen Teil der von den internationalen Gläubigern durchgesetzten Reformen wieder rückgängig machen. Dazu gehört die Wiedereinstellung Tausender Beamter, die Erhöhung des Mindestlohns sowie der Stopp der Privatisierungen. Mit der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verständigte sich Tsipras am Mittwoch darauf, einen Reformplan auszuarbeiten, um die Wirtschaft des Landes anzukurbeln. Demnach will Athen 70 Prozent seiner bisherigen Reformverpflichtungen erfüllen, 30 Prozent aber durch eigene „maßgeschneiderte“ Reformen ersetzen. Eine entsprechende Vereinbarung soll am 1. September in Kraft treten, bis dahin soll ein Überbrückungskredit die drohende Pleite abwenden.

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