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Archiv-Artikel

Handschuhe für Canetti

Von PS

ELSBETH ARLT, 59, Künstlerin und Gestalterin, stellt seit 1989 in Bibliotheken aus. Sie arbeitet in Norddeutschland und Berlin und lebt in Flensburg.FOTO: PRIVAT

Nein, das stimmt nicht, dass sie am liebsten in Bibliotheken reist. Dagegen wehrt sich die Künstlerin Elsbeth Arlt. Das scheine nur so, sagt sie dann. „Der Alltag ist genauso spannend.“ Auch dass sie, die am liebsten mit Schrift arbeitet, eine verhinderte Germanistin sei, sei falsch. „Aber ich habe mich immer für die Art interessiert, wie Dinge bezeichnet sind“, sagt sie. Vielleicht liege es daran, dass sie Konzeptkünstlerin sei.

Morgen eröffnet sie in der Kieler Universitätsbibliothek (UB) eine Ausstellung, die mit Zitaten arbeitet: „Blau“ heißt eine ihrer zehn Vitrinen, „Pause“ eine andere. Eine weitere, nach Canetti: „In ihrem Herzen treibt sich kein Analphabetengesindel herum.“ Und dann erst der Ausstellungstitel: „Und hier nochmal die Übersicht.“

Ob sie das ernst meint? „Nicht so sehr“, murmelt Arlt, die für die Kieler UB auch die Eingangs-Leuchtschrift „Manche leuchten, wenn man sie liest“ entwarf. Ein Zitat von André Gide.

Auch das Motto der aktuellen Schau hat sie gestohlen: dem Deutschlandfunk, der sowohl vor als auch nach den Nachrichten jeweils eine Übersicht derselbigen bringe. Ein bisschen stupide, das.

Aber was ist denn nun in den Vitrinen? „Ich habe Dinge zusammen getragen, die den Titel mehr oder weniger direkt illustrieren“, sagt sie bescheiden. Handschuhe hat sie zum erwähnten „Analphabeten“-Zitat gelegt. Marcel Duchamps „Schweigen“ hat sie durch Messing-Anführungszeichen illustriert. Warum eigentlich? „Um das Knirschen zwischen Text und Bild hörbar zu machen.“ Und um die Bibliotheksnutzer zum Besuch ihrer Vitrinen zu verführen. „Das ist nicht leicht. Die wissen oft sehr genau, wo sie hinwollen. Ich wäre stolz, wenn ich sie ablenken könnte“, sagt Arlt.

Überhaupt Bibliotheken: ein Hort der Ordnung! Ordnung und Chaos – das ist so eine Obsession von ihr. Nicht, dass sie Probleme damit hätte. Sie reizt der Punkt, „an dem die Ordnung ins Chaos umkippt“. Ein guter Nachbar des Chaos: der Zufall. „Davon gebe es gerade in der geordneten Bibliothek sehr viel. „Ich lasse mich gern treiben und lese mich fest an dem, was mir in die Hände fällt. Da kann ja in Minuten eine neue Weltordnung entstehen.“ PS

Die Ausstellung wird morgen um 19 Uhr in der Kieler Unibibliothek eröffnet und ist bis 19.12. zu sehen.