: Gute Geschäfte mit kleinem Geld
MIKROKREDITE Schon kleine Summen ermöglichen Menschen in Entwicklungsländern eine ökonomische Existenz. Von diesem Erfolg profitieren auch die Kreditgeber
VON VOLKER ENGELS
Kleinanlegern, die ihr Geld vor den Turbulenzen der marodierenden Finanzmärkte in Sicherheit bringen wollen, bieten Investitionen in Mikrofinanzanlagen eine gewisse Sicherheit und die Gewissheit, in Menschen statt in Märkte zu investieren.
Mikrofinanzinstitute in den Entwicklungsländern vergeben vor Ort Kleinkredite an Menschen, die von den regulären Banken und Finanzdienstleistern kein Geld erhalten, etwa, weil sie über kein regelmäßiges Einkommen verfügen, keine Bürgen haben oder schlicht keine Ausweispapiere vorlegen können. Die Mikrofinanzinstitute sind oft Genossenschaften, Vereine oder genossenschaftlich organisierte Banken, die sich oft aus NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen) entwickelt haben.
Die finanziellen Mittel für die Kleinkredite werden häufig über Mikrofinanzfonds zur Verfügung gestellt, die das Geld bei Anlegern weltweit einsammeln. Die Bank im Bistum Essen (BIB) hat zum Beispiel im Jahr 2007 zusammen mit der Stadtsparkasse Düsseldorf einen Mikrofinanzfonds aufgelegt, der inzwischen ein Volumen von 113 Millionen Euro hat.
Trotz Turbulenzen am Markt keine Verluste
Dieser Fonds ist einer von dreien, der sich an Privatanleger richtet; zwei weitere Mikrofinanzfonds sind ausschließlich institutionellen Anlegern wie Pensionskassen oder Stiftungen vorbehalten. „Trotz der Turbulenzen an den Märkten in den letzen Jahren sind alle Fonds ohne Verluste gut durch die Krise gekommen“, sagt Michael P. Sommer, Direktor im Bereich Nachhaltigkeit und Ausland. Eine Ursache sieht der studierte Jurist darin, dass „Mikrofinanzinvestitionen in der Realwirtschaft stattfinden und der Markt dort vergleichsweise stabil ist“. Zudem sei die Rückzahlungsquote sehr hoch, „im weltweiten Durchschnitt liegt sie bei über 95 Prozent“. Gerade „die Ärmsten der Armen, von denen viele das erste Mal in ihrem Leben überhaupt einen Kredit bekommen haben“, treibe der „unbedingte Wille zum Erfolg an“, so Sommer weiter.
Auch, wenn die Investitionen in Mikrofinanzfonds in der Vergangenheit sicher waren, hundertprozentige Verlässlichkeit lässt sich seriös nicht auf ewig prognostizieren. Sicherheitsbewussten Anlegern, die mit ihrem Geld ermöglichen wollen, dass sich Frauen zum Beispiel in Ghana oder Indien mit einem Kleinkredit selbständig machen können, bietet die Bistumsbank ein Mikrofinanzsparbuch an, das neben einem Zinssatz von aktuell zwei Prozent vor allem die Sicherheit bietet, dass das Geld geschützt ist. Denn die Anlage auf dem Sparbuch ist durch den Einlagensicherungsfonds der Genossenschaftsbanken vollständig gegen Verlust gesichert.
Dass bereits kleine Anlagen in den Entwicklungs- oder Schwellenländern eine große Wirkung entfalten können, weiß auch Florian Grohs, Geschäftsführer der Genossenschaft Oikocredit Deutschland, die weltweit Kredite an benachteiligte Menschen vergibt, um deren Eigenständigkeit zu fördern: „In Indien beträgt der durchschnittliche Kreditbetrag 150 Euro, die ausreichen, dass zum Beispiel kleine Gemüsehändler Obst oder Weber Stoffe einkaufen können.“ Deutsche Anleger können ab einer Einlage von 200 Euro investieren. Dafür müssen sie für eine Jahresgebühr von 20 Euro Genossenschaftsmitglied in einem der acht deutschen Förderkreise werden. „Die Dividende für die Einlagen beträgt im Moment zwei Prozent, die soziale Rendite ist ungleich höher, ist Hilfe zur Selbsthilfe“, so der promovierte Agrarökonom. Oikocredit unterhält 36 Büros in Schwellen- und Entwicklungsländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa, die in „engem Kontakt zu den regionalen Mikrokreditinstituten stehen“. Alleine in Deutschland hat die Genossenschaft nach eigenen Angaben 19.000 Mitglieder, die eine Kreditsumme von rund 200 Millionen Euro aufgebracht haben. Genossenschaftsmitglieder, die investieren wollen, sollten einen langen Atem mitbringen: „Es dauert ungefähr einen Monat, bis die Anteile veräußert werden können, wir wünschen uns aber, dass das Geld längerfristig angelegt wird.“ Diese Geduld kommt vor allem Frauen zugute, die rund 80 Prozent der Kreditnehmer stellen. „Frauen investieren stärker als Männer in die Familie, den Haushalt und die soziale Sicherung.“
Durch enge Kontakte die Schuldenfalle vermeiden
Für Therese Zak von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sind Mikrofinanzkredite ein geeignetes Mittel, um Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern Wege aus der „alltäglichen Armut“ zu weisen. Damit Kredite nachhaltig vergeben werden können, sei es unter anderem wichtig, „dass die Kreditnehmer vor Ort ausreichend beraten und über die Rückzahlungsmodalitäten informiert werden“. „Die Menschen dort können häufig weder schreiben noch lesen und haben keine Vorstellung davon, dass auch Sparen ein enormes Sicherheitspotenzial bietet“, weiß die Expertin für Finanzsystementwicklung, die selbst mehr als drei Jahre in Indien gelebt und gearbeitet hat. In Indien kooperiert die GIZ im Auftrag der deutschen Bundesregierung zum Beispiel mit einer indischen Bank, deren Mikrofinanzprogramm 7,5 Millionen Selbsthilfegruppen erreicht.
Vor allem an Menschen, die mit einer Spende konkrete Entwicklungshilfe über Mikrofinanzarbeit leisten wollen, richtet sich das Angebot von Opportunity International. Die gemeinnützige Stiftung sammelt Spenden, um „praktische Entwicklungshilfe“ zu leisten, wie Sprecher Jan Binder unterstreicht. Opportunity International verfügt über ein eigenes Netzwerk von Instituten in den Schwellen- und Entwicklungsländern, die ihre Kunden in der Regel kennen und begleiten. „Während der Kreditlaufzeit haben wir einen besonders engen Zugang zu den Menschen“, sagt Binder. Der Stiftung geht es auch darum, die „Kreditnehmer sehr genau auszuwählen und mit Businesstrainings oder Schulungen zu unterstützen. Schließlich müsse unter anderem verhindert werden, dass sich Kreditnehmer mit mehreren Mikrokrediten verschulden. Denn „Kreditinformationsbüros, die mit der deutschen Schufa vergleichbar sind, gibt es in den meisten Ländern noch nicht“, weiß auch Therese Zak.
Opportunity International hilft den Kreditnehmern, Netzwerke zu knüpfen. In Ghana sei es zum Beispiel gelungen, Hirse-Bauern mit der Guinness-Brauerei zu vernetzen: „Die Bauern“, sagt Jan Binder, „haben jetzt einen verlässlichen Abnehmer für ihre Hirse, der daraus das in Ghana beliebte Malzbier produziert.“