: Der ehrbare Professor
AUTORITÄTEN Er wirbt für mehr Moral in der Wirtschaft. Doch von der Atomlobby ließ er sich gern für ein lukratives Gutachten einspannen
AUS DEN DREHBÜCHERN DER LOBBYAGENTUR
VON SEBASTIAN HEISER UND MARTIN KAUL
Dass Joachim Schwalbach ein ehrbarer Wissenschaftler ist, daran sollte, bitte, kein Zweifel bestehen. Der Professor von der Berliner Humboldt-Universität ist immerhin einer, der gerne mehr Anstand und Moral in Deutschlands Chefetagen fordert. „Der ehrbare Kaufmann“, so lautet der Titel der Zeitschrift, die Schwalbach, hier in seinem Büro in der Rosenstraße 19, Berlin-Mitte, gerade auf die weiße, runde Tischplatte gelegt hat. Der Titel ist von ihm. Und er ist es, der seit Jahren nun „Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit, Ehrbarkeit“ predigt, wenn es um die Anforderungen geht, die er an andere stellt.
Ein Mittwoch im Oktober, in der ersten Etage des Hochhauses am Hackeschen Markt. Ein rahmenloses Ölgemälde hängt an der Wand in seinem Büro. Und wir sind gekommen, um mit Joachim Schwalbach, 63, blaues Hemd, rahmenlose Brille, grauer Schnäuzer, graues Haar, heute auch einmal über seine eigene Glaubwürdigkeit zu reden. Allerdings wollen wir damit noch etwas warten und zuerst einmal das Grundsätzliche klären.
Kein halbes Jahr ist es nun her, dass hier, an der renommierten Berliner Humboldt-Universität, ein windiger Vertrag für Empörung sorgte: Eine der ersten Universitätsadressen Deutschlands hatte ausgerechnet der Deutschen Bank umfassende akademische Mitspracherechte eingeräumt. Der Aufschrei war groß. Und wer das Wirken von Joachim Schwalbach beurteilen will, sollte vielleicht hören, was der Mann dazu zu sagen hat. Wir fragen ihn.
„Wenn die wissenschaftliche Institution etwas auf sich hält“, sagt er, „muss sie darauf bestehen, dass sie unabhängig ist. Das heißt, dass sie unabhängig davon, was da rauskommt am Ende, die Mittel nicht zurückzahlen muss, weil dem Auftraggeber das Ergebnis nicht passt.“ Dies ist Schwalbachs klare Position, wenn es um andere geht. Die damaligen Verträge zwischen Uni und Deutscher Bank seien „natürlich ein Fehler von denjenigen, die da mit der Deutschen Bank verhandelt haben. So etwas würde ich beispielsweise nie unterschreiben.“ Auch das sagt er an diesem Mittwoch in seinem Büro. Und an uns Journalisten gerichtet: „Da würde ich jetzt nicht so sehr die Deutsche Bank angreifen, sondern diejenigen, die das Geld empfangen haben.“
Klare Worte. Schwalbach sagt sie zu Beginn eines Gespräches, als er noch nicht weiß, dass es heute auch um ihn gehen wird.
Dann sprechen wir ihn auf seine Tätigkeit an. Gefällige Studien für die Atomindustrie? Abgerechnet über die Firma seiner Frau? Verschwiegen, weil der Industrielobby das Zwischenergebnis missfiel? Es sind sensible Fragen, die hier im Raum stehen. Und die Geschichte von Joachim Schwalbach ist nur ein kleines Puzzleteil aus dem Gesamtbild der Kampagne „Energieverantwortung für Deutschland“, die die Agentur Deekeling Arndt Advisors für die vier großen Atomkonzerne anschob.
Erst sorgfältig kalkuliert
„Gesellschaftsrendite der Kernenergienutzung in Deutschland. Eine Studie zum volkswirtschaftlichen, sozialen, gesellschaftlichen und ökologischen Nutzen der Kernenergie“ – so lautete der viel versprechende Titel jener Studie, die die Agentur fest in ihre Kampagnenplanung integrieren wollte; und die sie im Budget, Stand Dezember 2008, mit 135.000 Euro veranschlagt hatte. Schwalbach sollte vorrechnen, warum Kernenergie nicht nur den Konzernen Milliarden bringt, sondern vor allem der Gesellschaft nütze. „Kennziffern“ sollte er dazu erheben, mit denen die „Gesellschaftsrendite“ der Atomkraft offensichtlich würde.
Dass die Studie kühl kalkulierter Teil einer Kampagne war, daran besteht kein Zweifel. In internen Dokumenten heißt es, die Rendite-Kennziffer, die Schwalbach finden sollte, „kontert das Argument, die Laufzeitverlängerung dient nur Profitinteressen der Konzerne“. In Auftrag gegeben wurde die Studie als Teil einer Kampagnenphase. „Ziel: Kernenergiedebatte moralisch aufladen. Strategie: Wissenschaftlern und Vordenkern eine öffentliche Bühne bieten.“
Kurz vor der Bundestagswahl 2009 sollte den Planungen zufolge die Schwalbach-Studie der Öffentlichkeit präsentiert werden. Vorgesehen war dann auch eine konkrete „Vermarktung“ der Ergebnisse – etwa durch die persönliche Ansprache des Bild-Chefredakteurs Kai Diekmann, wie es in den Dokumenten heißt.
Doch die bereits in Auftrag gegebene Studie erschien nie. Geht es nach Schwalbach, so ist die Studie nie veröffentlicht worden, weil sie erstens nie fertiggestellt wurde und „weil ich nicht bereit war, ein Gefälligkeitsgutachten zu schreiben“.
Sowohl das Atomforum als auch die beauftragte Agentur sagen, sie hätten von Schwalbach keineswegs ein Gefälligkeitsgutachten erwartet.
Von einem der Energieunternehmen hören wir, natürlich nicht offiziell: Das Atomforum soll nach der Zwischenpräsentation der Ergebnisse gefürchtet haben, die Studie könnte so unplausibel werden, dass eine Veröffentlichung zum politischen Bumerang zu werden drohte. Sie war zu rosarot, unnütz. Wir fragen Schwalbach: Wenn die Zwischenergebnisse so kritisch waren, wie er sagt, dürfen wir sie dann sehen? Leider nein.
Das Geschäft mit dem Renommee des bekannten Wissenschaftlers sollte nicht etwa den universitären Drittmitteltöpfen zugute kommen. Stattdessen floss es in die Kasse der kleinen und unscheinbaren Kommunikationsagentur „GlobalKomm“. Und, wie zufällig, besteht dieses Einpersonenunternehmen aus der Ehefrau des Professors, Astrid Drabant-Schwalbach.
Der Sitz von „GlobalKomm“ ist der private Wohnsitz des Ehepaars. Drabant-Schwalbach muss keine Daten über ihren Umsatz veröffentlichen.
Dass es jedoch einzig um den Namen des Wissenschaftlers und seiner Universität ging, darauf verweist der Deckblattentwurf der Studie, mit dem die Agentur in ihren internen Papieren bereits arbeitete. Auf der Titelseite sollte demnach stehen: „Prof. Dr. Joachim Schwalbach, Humboldt-Universität Berlin“. Eine ehrbare Institution.
Geht es nach Schwalbach, so will er sich an dem Auftrag angeblich nicht bereichert haben. „Das Geld ging direkt an meine Frau. Ich habe davon keinen Euro gesehen“, behauptet er. So, die Frau also. Warum heißt es dann aus einem der Energieunternehmen, es sei von Schwalbachs Frau – Astrid Drabant-Schwalbach – nie die Rede gewesen?
Wir wollen fragen. Doch unmittelbar nach dem Termin bei Prof. Dr. Schwalbach ist bei Astrid Drabant-Schwalbach das Telefon besetzt, ständig. Das mag Zufall sein. Wir rufen später wieder an. Da meldet sich unter der Rufnummer der Firma „GlobalKomm“: Joachim Schwalbach.
Dann haben wir, später, doch noch Glück am Telefon. Astrid Drabant-Schwalbach sagt: „Es war von vornherein klar, dass dies eine Kommunikationsleistung ist, die im Rahmen der Kampagne des Atomforums erbracht werden sollte.“ Was hatte ihr Mann zuvor gesagt? „Mir ging es einzig und allein um die wissenschaftlichen Erkenntnisse.“
Dann leider weniger Geld
Ärgerlich für beide nur, dass am Ende nicht mal Schwalbachs Frau das ganze Geld bekam. Denn weil die Schwalbach-Studie nicht fertiggestellt und veröffentlicht wurde, wollte das Atomforum auch nicht die 135.000 Euro zahlen. Schließlich zog Drabant-Schwalbach vors Berliner Landgericht. In einem Vergleich einigten sich die Streitparteien auf einen niedrigeren Preis. Einsicht in die Akten wollen beide Parteien heute nicht gewähren.
Und so endet die Geschichte vom ehrbaren Professor: Eine private Kommunikationsleistung, bezahlt von der Atomlobby, davon versprach sich Professor Schwalbach Erkenntnisse für die Wissenschaft. Das behauptet er heute. Vielleicht versprach er sich aber auch einfach etwas anderes: ein Geschäft.