: Gegen das Vergessen
DEMENZ Die Bremer „Wohlfühlanrufer“ erweitern ihr Angebot, mit dem sie alleinstehenden Alten helfen
Das Telefon klingelt und am anderen Ende ist eine freundliche Stimme, die an einen Termin erinnert oder daran, genug zu trinken. Es ist jemand, der sich mit dem Menschen unterhalten möchte, über alltägliches wie Rezepte oder über Geschichten von früher. Mit dieser Idee startete Anfang diesen Jahres das „Wohlfühltelefon plus“.
Es ist eine Erweiterung der „Wohlfühlanrufe“ des Bremer Vereins „Ambulante Versorgungsbrücken e. V.“, bei denen besonders Senioren mit regelmäßigen Telefonaten gegen Vereinsamung geholfen werden soll. Das Projekt arbeitet zwar von Bremen aus, die 14 ehrenamtlichen Mitarbeiter telefonieren aber bundesweit mit 50 bis 60 Personen pro Woche.
Der Verein erhielt für das „Wohlfühltelefon plus“ eine Anschub-Förderung der Deutschen Fernsehlotterie von 40.000 Euro, die aber nicht alle Kosten deckt. Eine Aufwandsentschädigung in Form eines Abos richtet sich nach der Anzahl der Telefonate: Für einen Anruf pro Woche müssen monatlich 20 Euro gezahlt werden, abgerechnet wird pro Quartal. Die Gespräche dauern – bei rund fünf Euro pro Unterhaltung – bis zu 45 Minuten.
In dem Zusatzprogramm werden demente Menschen angerufen. Neben der Strukturierung des Alltags sollen die Telefonate auch die Möglichkeit geben, „gemeinsam zu singen oder zu lachen“. Die Mitarbeiterinnen des „Wohlfühltelefon plus“ lernen die Menschen „so kennen, wie sie sind“, erklärt die Vereinsvorsitzende Elsbeth Rütten – anders als die Familien, die teilweise Probleme mit der Wandlung ihrer Angehörigen hätten. So kann es für Kinder schwierig sein, krankheitsbedingte Veränderungen ihrer Eltern zu akzeptieren.
Eine Mitarbeiterin wurde für das „Wohlfühltelefon plus“ eingestellt und kümmert sich um die momentan fünf bis acht dementen Kunden. Den Erkrankten mit Akzeptanz und Empathie zu begegnen und in den Gesprächen bestimmte Feinheiten zu beachten, sei besonders wichtig. „Wenn jemand ein Wort nicht weiß, muss man das akzeptieren“, sagt Rütten. Man dürfe dann nicht fünf Mal nachfragen.
Beim „Wohlfühltelefon plus“ werden die Menschen laut Rütten durch Angehörige oder die Person, die das Abo schenkt, auf die Anrufe vorbereitet. Ein persönlicher Kontakt erfolgt nur dann, wenn die dementen Menschen sich selbst melden, um an dem Programm teilzunehmen.
Laut Claus Appasamy von der Deutschen Expertengruppe Demenz e. V. ist eine gute Vorbereitung entscheidend: Die demente Person müsse die Stimme dem Telefonhörer zuordnen können. Ein direkter Kontakt sei aber prinzipiell besser. Ohne physische Präsenz fallen Mimik und Gestik weg, was es bereits gesunden Menschen schwer machen könne, eine Aussage zu verstehen.
Die „Wohlfühlanrufe“ hätten allerdings nicht den Anspruch, Besuche zu ersetzen, sagt Rütten. Sie seien vielmehr ein Zusatzangebot zur alltäglichen Versorgung. JÖRDIS FRÜCHTENICHT