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Archiv-Artikel

Das Ding, das kommt Theatraler Fremdkörper

DIE LED-LAUFSCHRIFT ist oft das einzige Mittel für Inklusion im Theater. Eine Gruppe Hildesheimer Studenten will das ändern

Große Opern mit permanent präsenten Paratexten? Eher unwahrscheinlich …

Meist beschränkt es sich noch immer auf eine LED-Laufschrift-Leiste über dem Portal oder auf eine Projektion neben dem Bühnengeschehen. Inklusion im Theater, das bedeutet zumindest in Bezug auf das Publikum selten mehr als: Übertitel für hörgeschädigte und gehörlose Menschen.

Wirklich inklusiv ist das nicht – immer noch sitzen zwei unterschiedliche Gruppen im Publikum: Die einen sehen und hören das Stück auf der Bühne, die anderen sehen es – und müssen gleichzeitig auf die Titel gucken. Ein echtes gemeinsames Erleben sollte anders aussehen, davon ist auch eine Gruppe von Hildesheimer Studierenden aus dem Studiengang „Medientext und Medienübersetzung“ überzeugt.

Gemeinsam mit der freien Theatergruppe Kirschrot arbeiten sie derzeit am ersten tatsächlich inklusiven Theaterstück Deutschlands. „Die Übertitel sollen integrativer Bestandteil der Inszenierung werden, keine Fremdkörper sein“, betont Projektleiterin Nathalie Mälzer. Erst wenn die Übertitel mehr als eine Übersetzung seien und sich an das gesamte Publikum richteten, könne ein inklusiver Effekt entstehen.

Endgültig vorbei sein soll die Zeit, in der die Texte irgendwo jenseits der Bühne im Raum schweben. Auf einer Art Gewächshaus leuchten hier im Halbdunkel die Schriftzeichen auf, in verschiedenen Größen und Richtungen. Das sieht nicht nur toll aus, sondern verändert auch die Wahrnehmung der Hörenden. Weil auch sie neben der Bildebene permanent einer ästhetisch integrierten Textebene ausgesetzt sind, werden sie das Kunstwerk anders wahrnehmen. Für Regisseure eröffnen sich so völlig neue Möglichkeiten – in der Theorie zumindest.

Wie gut die Hildesheimer Idee in der Praxis funktioniert: Spätestens nach der Premiere des Kinderstücks „Club der Dickköpfe und Besserwisser“ am Donnerstag im Theaterhaus Hildesheim weiß man mehr. Aber dass in naher Zukunft Werke des klassischen Repertoires, große Opern zum Beispiel, mit permanent präsenten Paratexten zu sehen sein werden, ist dann doch eher unwahrscheinlich.

Zumindest einer Textgattung aber entspräche das Konzept der Hildesheimer ganz offensichtlich gut: dem epischen Theater à la Bertolt Brecht. Der setzte ja schon in den 1920er-Jahren auf Übertitelung als ästhetisches und inhaltliches Element seiner Stücke – noch ganz ohne inklusiven Ansatz natürlich.

ALEXANDER KOHLMANN

■ Do, 19. 2., 10 Uhr, Theaterhaus Hildesheim