: Gedruckte Vorbilder
Hamburger Unternehmerinnen sollten sich nicht unterkriegen lassen – stattdessen gilt es zu netzwerken. Zum Beispiel mittels „Commericelle“, dem Magazin für selbstständige Frauen. Ein Zwitter aus Branchenbuch und Zeitschrift
Es begann mit einem Rückschlag: Als der Hamburger Senat im vergangenen Jahr die Förderung des Branchenbuchs für Unternehmerinnen strich, befand sich die Herausgeberin Angelika Caspari zunächst in einer Sackgasse. „Tiefen gehören nunmal dazu,“ meint die 54-Jährige heute. Und schaut dabei stolz auf das, was aus der Sackgasse entstand: Commercielle, halb Branchenbuch, halb Zeitschrift, erhältlich ab sofort am Kiosk.
Darin können nicht nur Unternehmerinnen netzwerken – auch Frauen, die mit Selbstständigkeit liebäugeln, finden Tipps und erste Anlaufstellen. Und Portraits derer, die es geschafft haben.
Beispielsweise Ana Duarte. Die 37-jährige Portugiesin kam vor zwölf Jahren mit ihrem damals drei Jahre alten Sohn nach Deutschland. Ihre pharmazeutische Ausbildung wurde nicht anerkannt, sie haderte mit der Sprache und hielt sich mit Kellnerjobs über Wasser. Nach einer Ausbildung zur Bürokauffrau arbeitete sie sich hoch – und verkauft heute Autos. Kein besonders frauentypischer Job, ab und zu hat Ana Duarte mit Vorurteilen zu kämpfen. „Es sind eher männliche Käufer 50+, die mir keine kompetente Beratung zutrauen“, erzählt sie gelassen. „Wenn ich ein wenig über technische Details der Wagen erzähle, verschwinden Zweifel aber meist.“
Dass Commercielle sich an Frauen richtet, die ihren Beruf mit fundierten Kenntnissen und Leidenschaft ausüben, ist Angelika Caspari wichtig. „Wir schreiben keine in redaktionellen Beiträge gefasste Kosmetikreklame“, betont die Unternehmerin. „Wir wollen Vorbilder vorstellen für Frauen, die im Beruf erfolgreich sein wollen.“ Dass in der Commercielle so gut wie keine Männer zu Wort kommen, empfindet sie nicht als diskriminierend: „Solange Frauen nur elf Prozent der Führungspositionen ausmachen“, sagt Caspari, „brauchen sich Männer keine Sorgen um Ausgrenzung zu machen.“ Neidisch sei sie jedoch nicht. „Dass Frauen kein Umgang mit Geld zugetraut wird, ist nunmal historisch bedingt“, stellt sie pragmatisch fest. „Dass Frauen aber zumindest ihre Familien und oft auch deren Einkommen managen mussten, ebenso.“ Sollte der kleine Unterschied eines Tages nicht mehr ins Gewicht fallen, wünscht sie sich eine Beurteilung allein nach Fähigkeiten und Leistung.
Seit zehn Jahren engagiert sich Angelika Caspari für selbstständige Frauen. Mit dem Unternehmerinnenverband „Schöne Aussichten“ bietet sie eine kostenlose Hotline an. Dort können Fragen zu Computern, Versicherungen und Steuern geklärt werden – ohne, dass in väterlichem bis herablassendem „Kommst du doch nicht weiter“-Tonfall geantwortet wird.
„Was ich unerträglich finde, ist Arroganz“, sagt Caspari. Vor allem das Abkanzeln von Kollegen, um sich selbst in besseres Licht zu rücken, sei ihr ein Dorn im Auge.
Um den Nachwuchs nicht in solche Egotrip-Fallen laufen zu lassen, widmet sich Commercielle der jüngeren Generation in einer eigenen Rubrik. „Die Zukunft ist heute 25 bis 30 Jahre alt und weiblich!“ ist die Herausgeberin überzeugt. Und auch wenn sich das Rollenverständnis in dieser Generation geändert habe – in Chefetagen herrscht oft noch ein anderer Ton.
Das war auch ausschlaggebend für die Kehrtwende in Casparis eigener Karriere: Nachdem sie acht Jahre für die Lawaetz-Stiftung in der Gründerberatung tätig war, beschloss sie, die Fronten zu wechseln. Es habe viel zu viele Fälle gegeben und zu wenig Personal, erinnert sie sich. „Ausbeuten kann ich mich auch selbst“, lautete damals ihre Schlussfolgerung. Seitdem teilt sie sich zwischen der selbstständigen Beratung junger Unternehmen, der Erziehung ihrer Tochter und dem ehemaligen Branchenbuch „Schöne Aussichten“. Auch wenn dessen Spektrum sich als Commercielle stark erweitert hat – den Innovationspreis der Financial Times verlor es diesen Sommer dennoch knapp an ein paar Passauer Studenten. Das Old Boys Network ließ sich lieber von der Idee eines Gummibärchenmüslis überzeugen. JESSICA RICCÒ