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Archiv-Artikel

Energie aus Fertigpilzen, Joghurt und Muscheln

Biogas aus organischen Abfällen ist nicht nur klimapolitisch sinnvoll. Es erschließt auch Wertschöpfung für Abfallwirtschaft und Kommunen

Muscheln, Feigenpaste und Vanilleeis: Das ist nicht der Auszug einer exklusiven Speisekarte, sondern das ganz normale Fütterungsprogramm einer Biogasanlage mitten im Hamburger Stadtgebiet. Auf dem Hof der Betreiberfirma BioWerk, im Schatten der Müllverbrennungsanlage (MVA) Stellinger Moor, türmen sich Lebensmittel, die für den Verzehr nicht mehr geeignet sind. Zudem stehen hier grüne Tonnen Schlange, randvoll mit Bananen, Brot und Joghurt gefüllt. Es sind Bioabfälle aus Hotels und Kantinen.

Seelenruhig fährt ein Gabelstapler-Fahrer die Abfälle Palette für Palette, Tonne für Tonne in den Abfallbunker. Rund 20.000 Tonnen gelangen so in den aufwändigen Verarbeitungs- und Gärprozess. „Wir füttern hier einen lebendigen Organismus“, erklärt Jörn Franck am Hofeingang, „da muss man geduldig sein.“ Der Geschäftsführer des BioWerks, eines Gemeinschaftsunternehmen aus Stadtreinigung Hamburg, BioCycling und ETH Umweltentwicklung, sagt dies fast ehrfürchtig über eine Anlage, die aus den aufbereiteten Bioabfällen so viel Biogas erzeugt, dass sie einen Motor mit einer elektrischen Leistung von einem Megawatt nonstop antreibt. Aber nicht alle Bioabfälle werden verdaut: So geht der entölte chinesische Zimt wieder an den Absender zurück, weil er zu holzig ist; damit können die Bakterien im Gärreaktor nichts anfangen.

Abfallexperten gehen davon aus, dass in der Bundesrepublik rund 16 Millionen Tonnen organische Anteile im Gesamtabfallaufkommen schlummern. Eine gigantische Menge, aus deren Biogas-Output so viel Strom erzeugt werden könnte wie mit zwei Atomkraftwerken. Das zum theoretischen Potenzial. Die Realität sieht anders aus. Denn nur rund 1,5 Millionen Tonnen Bioabfälle werden gegenwärtig bundesweit in etwa 75 Anlagen vergoren. „Unwirtschaftlich, rechnet sich nicht“, urteilten die meisten Entsorgungsunternehmen in der Vergangenheit. Jedoch stimmt diese Einschätzung heute nicht mehr. Und zwar aus mehreren Gründen: Zum einen befinden sich die Energiepreise auf einem höheren Niveau als früher. Zum anderen sind die Biogastechniken weiter optimiert worden, und zum Dritten gewährt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) inzwischen für Strom aus Bioabfällen eine gesetzlich garantierte Höhervergütung. Fazit: Biogas aus Bioabfällen lässt sich in vielen Fällen wirtschaftlich gestalten. „Auch BioWerk muss schwarze Zahlen schreiben“, mag Jörn Franck keine Zweifel aufkommen lassen, obgleich längst noch nicht alles rundläuft. So ist das organische Inputmaterial zu sauer, der pH-Wert zu niedrig. Hinzugefügter Kalk soll Abhilfe schaffen. Außerdem wollen die Hamburger ein Verfahren entwickeln, bei dem Wasser aus dem gegorenen Substrat abgepresst wird. „Dann haben wir einen Gärrest mit hohem Feststoffanteil und hohem Düngerwert“, erläutert Franck. „Das Wasser können wir wiederum im Reinigungsprozess der Müllverbrennungsanlage einsetzen.“ Dadurch sinken die Kosten für den Abtransport des Gärrestes – so setzt man auf optimierte stoffliche Kreisläufe.

Auf jeden Fall ist ein wachsendes Interesse an der Abfallvergärung vorhanden – sowohl im In- als auch im Ausland, wie auch Jörn Franck vom BioWerk bestätigt. Anfragen zu seiner muschelverdauenden Biogasanlage liegen ihm aus den USA, Korea und Tansania vor. DIERK JENSEN