PRESS-SCHLAG
: Wir rechnen uns die Liga schön

FUSSBALLKAPITALISMUS Dass die großen Klubs gewinnen, hat mit der Ökonomie zu tun. Dass Bayern trotzdem nicht 19:0 siegen wird, liegt jedoch am Fußball

Den Bundesligaspieltag zu kommentieren und unangenehm klugzuscheißen, sind an diesem Wochenende leider keine unterschiedlichen Dinge. Dieser Satz beispielsweise gehört in beide Kategorien: „Also, überrascht hat das 8:0 der Bayern über den Hamburger SV nur denjenigen, der von Fußball keine Ahnung hat.“ Auch mit dieser Erkenntnis kann man sich als sehr arroganter Heini präsentieren: „Dass Dortmund 4:2 über Mainz gewinnt, war doch klar.“ Oder, um den Gedanken noch in besonders schlechtem Deutsch auszudrücken: „ … war doch logisch.“

Das nämlich ist das Dilemma eines Fußballbetriebs, bei dem zwar immer noch zwei Teams mit je elf Spielern antreten und 90 Minuten Zeit haben, bei dem aber andererseits alles kapitalistisch durchdrungen ist und sich gefälligst rechnen soll. Bayern München hat – so notiert es das seriöse Portal transfermarkt.de – einen Wert von 551 Millionen Euro. Der HSV SV nur von 71 Millionen Euro. Wer dies vor diesem Spieltag in Relation gesetzt hatte, hätte ein 8:0 prognostiziert.

Was wir derzeit erleben, ist nämlich etwas, das – leider – keine Werbung für den Fußballsport ist, sondern unangenehmer Ausdruck der ökonomischen Verhältnisse: Es kann zwar jeder jeden schlagen, auch mal ein kleiner Vereinen einen großen, aber übers Jahr setzen sich die Marktführer durch.

Je länger die Saison dauert, desto mehr werden die gut gestarteten Teams aus Paderborn, Mainz oder Augsburg nach unten durchgereicht. Und die Klubs mit den teuren und auf jeder Position doppelt gut besetzten Kadern nehmen Fahrt auf. Bayern, Dortmund und Wolfsburg zeigen derzeit, warum die Deutsche Meisterschaft als Ergebnis eines Ligawettbewerbs entschieden wird und nicht durch einen Pokalwettbewerb, de ja bekanntlich ganz eigene Gesetze hat. (Das ist auch ein Grund, warum aus dem Europapokal der Landesmeister die Champions League wurde, also ein Ligawettbewerb, in dem ein Spitzenteam mal schwächeln kann, es aber in the long run doch bis in die K.-o.-Runde schafft.)

Die sogenannten Kleinen der Bundesliga haben das gemacht, was man als chancenloser Außenseiter immer macht: Sie haben ihr Heil in der Flucht nach vorne gesucht, in der von Hamstern abgeschauten Hoffnung, sich am Anfang so viel Futter anfressen zu können, dass sie am Ende noch genug haben. Die Großen der Bundesliga haben hingegen das gemacht, was sich ihrer Stärke bewusste Branchenriesen immer machen: gelassen auf kleinere oder – (im Falle des BVB) – größere Rückschläge reagieren, sicher wissend, dass ihre Zeit noch kommt.

Das macht den Fußball langweilig, aber was hat man von dieser Erkenntnis? Klüger und auch deutlich weniger klugscheißerisch aber dürfte das Vertrauen darauf sein, dass der Ball weiterhin rund ist und unerwartete Richtungen nehmen kann.

Am nächsten Spieltag reisen die 551-Millionen-Euro-Bayern zu den läppischen 28-Millionen-Euro-Paderbornern. Betriebswirte würden da einen 19:0-Sieg Münchens prognostizieren. Weniger arrogante Zeitgenossen rechnen jedoch mit irgendeinem anderen Ergebnis. Mit was schönerem. MARTIN KRAUSS