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Archiv-Artikel

55 Milliarden Euro zu viel – und keiner war’s

FEHLBUCHUNG Niemand will schuld sein, dass es bei der Bad Bank des staatlichen Instituts Hypo Real Estate zu ganz falschen Zahlen kam. Finanzministerium und Wirtschaftsprüfer weisen Verantwortung von sich

BERLIN taz/rtr | Wer ist schuld, dass es bei der Bad Bank der Hypo Real Estate zu einer Luftbuchung von 55,5 Milliarden Euro kam? Diese Frage ist weiterhin ungeklärt. Es sei noch zu früh, um „Verantwortlichkeiten zu benennen“, teilte das Bundesfinanzministerium am Montag mit. Dabei wissen Bank und Ministerium bereits seit Anfang Oktober, dass es „einen eventuellen Korrekturbedarf in Milliardenhöhe“ geben werde. In einer Pressemitteilung vom 18. Oktober gab die Bad Bank diesen Flop selbst zu – allerdings derart verklausuliert, dass den Medien erst Tage später auffiel, was für eine Bombe sich in dieser eine Seite umfassenden Verlautbarung verbarg.

Die Fehlbuchung bei der Bad Bank kam unter anderem dadurch zustande, dass Barsicherheiten nicht verrechnet wurden, die für Finanzderivate hinterlegt wurden. Finanzderivate sind befristete Termingeschäfte, mit denen vor allem Zins- und Währungsrisiken reduziert werden sollen. Um zu garantieren, dass die jeweilige Gegenpartei auch zahlungsfähig ist, müssen für jedes Derivatgeschäft Sicherheiten hinterlegt werden. Oft machen die Banken jedoch mit anderen Instituten eine Vielzahl solcher Derivatverträge – in ganz unterschiedlichen Rollen. Mal müssen sie Sicherheiten stellen, mal verlangen sie eine Bareinlage. Normalerweise werden diese geforderten und gewährten Sicherheiten gegeneinander verrechnet, also „saldiert“, wenn es sich um denselben Vertragspartner handelt. Doch genau diese Verrechnung wurde bei der Bilanz der Bad Bank unterlassen.

Die Folgen dieses korrigierten Buchungsfehlers sind enorm: Die deutschen Staatsschulden sanken schlagartig um 2,6 Prozentpunkte auf nur noch 81,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Allerdings hat die Bundesregierung nicht mehr Geld zur Verfügung, nur weil ein Buchungsfehler korrigiert wurde. Es gebe „keine Änderungen der Planungen in der Realwelt“, stellte ein Sprecher des Finanzministeriums klar.

Durch den korrigierten Buchungsfehler schrumpft auch die Bilanz der Bad Bank dramatisch, die sich offiziell FMS Wertmanagement nennt: Im Dezember 2010 hatte sie noch 357 Milliarden Euro umfasst, neuerdings sind es nur 301,8 Milliarden.

Wie jede Bilanz wird auch der Geschäftsbericht der FSM Wertmanagement regelmäßig geprüft, doch die zuständigen Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) wiesen am Montag jede Verantwortung zurück: Im Jahresabschluss 2010 habe es keine Anhaltspunkte für Fehler gegeben. Erst beim verkürzten Halbjahresabschluss zum 30. Juni 2011 sei aufgefallen, dass Forderungen und Verbindlichkeiten beim Derivategeschäft nicht saldiert worden seien. ULRIKE HERRMANN