LESERINNENBRIEFE :
Vorbilder ändern die Gesellschaft
■ betr.: „Quote. Ihr vergesst die Basis“, taz vom 31. 10. 11
Claudia Pinls Ansatz, die vorhandenen Stolpersteine für Frauen-Karrieren als Gegenargumente zur Quote zu sehen, ist für mich absurd. Gerade weil es das Ehegatten-Splitting noch gibt, die Väter oft noch nicht wirklich an der Familienarbeit teilhaben wollen und die Arbeitswelt auf Vollzeitkräfte, die nicht auf die Kita-Öffnungszeiten Rücksicht nehmen müssen, eingestellt ist, brauchen wir die Quote für Vorstände und Aufsichtsräte. Nur so wird der gesellschaftliche Druck groß genug werden, dass sich die von Pinl aufgezählten Missstände ändern lassen, da die Unternehmen genug qualifizierten weiblichen Nachwuchs rekrutieren beziehungsweise selber aufbauen müssen. Geschlechterbilder richten sich nach Vorbildern, und genau hier setzt die Quote an!
Die Abiturientin hat übrigens zunächst ihren Doktor in Infektionsbiologie gemacht. Nach dem ersten Kind überlegt sie aber, auf Lehramt zu wechseln, da die Wissenschaft mit dem Publikationsdruck und den Befristungsregelungen großen Arbeitseinsatz und eine hohe Risikobereitschaft fordert, die Industrie für aussichtsreiche Positionen ausnahmslos Vollzeitarbeit plus Überstunden und meist auch eine hohe Reisebereitschaft verlangt. Selbst wenn der Partner dafür Hausmann würde, ist das für sie keine Option, da sie ihr Kind mehr als ein bis zwei Stunden pro Tag sehen möchte und immer noch davon träumt, dass beide Partner 20 bis 35 Stunden pro Woche arbeiten und sich die Hausarbeit teilen. R.N, Kiel
Ein einziger „unreiner Mist“
■ betr.: „Versuchen Sie doch mal, im Restaurant über das Arschloch zu reden“, taz vom 29. 10. 11
Dass ihr zwei Seiten dem Interview mit diesem esoterischen Wirrkopf widmet, ist echt der Gipfel! Als ob es irgendeinen Menschen interessieren würde, ob AA. Bronson nur den äußeren oder auch den inneren Schließmuskel massiert und welche queeren Geister er dabei aus diesem mysteriösen Körperteil der verklemmten amerikanischen Männer herauskitzelt.
Diese Mischung aus pseudowissenschaftlichem Dahergequatsche – dass die Prostata nicht im Geringsten das Äquivalent der weiblichen Klitoris ist, dürfte mittlerweile auch in Nichtmediziner-Kreisen bekannt sein – und weltweit zusammengeklaubten Schamanensprüchen ist – um mit Karl Valentin zu sprechen – ein einziger „unreiner Mist“. Allenfalls auf der Wahrheit-Seite hätte der Text noch eine gewisse Existenzberechtigung, aber für diese fehlt ihm jeglicher Witz. VEIT MATTHIAS GRÜNWALD, München
Politik und Maßstäbe
■ betr.: „Breite Lobby gegen Lobbyismus“, taz vom 31. 10. 11
Nach dem unseligen verkappten rot-grünen vertraglichen Atomausstieg 2010 für Biblis, zu dem der RWE-Vorstand damals noch öffentlich Vertragstreue gelobt hat, wurden im hessischen Landtagswahlkampf von der Atomlobby Anzeigen geschaltet (Clement gegen Ypsilanti!) und offiziell von RWE durch Wurfsendungen und bezahlte Demonstranten für die Erhaltung von Arbeitsplätzen durch Weiterbetrieb des AKW Biblis geworben. Dies zu Zeiten, als Merkel und Gabriel den Bestand des „Atomausstiegsvertrages“ garantierten. Im Hinblick auf den Vertrag ist das juristisch als Gefährdung des Vertragszwecks und Bruch (neben-)vertraglicher Pflichten zu kategorisieren.
Der Energieversorger RWE hat zudem offensichtlich es tunlichst unterlassen, für die „Versorgungslücke“ Ersatz zu schaffen, weil noch 2011 „Biblis als Kaltreserve“ für die Versorgungslücke ernsthaft thematisiert wurde. Vertragsbruch durch positives Tun oder durch vorsätzliches Unterlassen als „üblichen Vorgang“ und als „moralisch unangreifbar“ zu deklarieren, ist bei uns möglich, weil die Verwaltungen diverser Bundes- und Landesregierungen den rechtsstaatlichen Verpflichtungen zur Anwendung und Einhaltung von Recht selbst nicht nachkommen und diesen Unwillen als politische Entscheidung deklarieren. So geschehen bei der Auswahl von Gorleben, der Entsorgung in der Asse, der fehlenden Abarbeitung des Weimar-Katalogs für Biblis, der nichtigen Baugenehmigungen von Mülheim-Kärlich… ANDREAS KOEGLER, Lorsch
Diplomatie ist gefragt
■ betr.: „Syrien braucht ein Zeichen des Westens“, taz vom 31. 10. 11
Die Frage ist, ob es für „den Westen“ (mit den USA) geraten ist, in der Sache der Menschenrechte Partei zu ergreifen? Wäre nicht eher die Diplomatie gefragt, über Erdogan, der, wie Sie schreiben, auf der Seite der Opposition steht, in der islamischen Welt für eine gemeinsame Haltung in Richtung Demokratisierung zu werben? Ob die – aus Sicht des Islam – „Ungläubigen“, die auch Defizite im Umgang mit der Würde des Menschen haben, aus dem Glashaus mit Steinen werfen sollten, ist kritisch zu hinterfragen! NORBERT VOSZ, Berlin
Schöner Hinweis
■ betr.: „Verkaufszahlen sind nicht gleich Leserzahlen“,taz vom 31. 10. 11
Schöner Hinweis, dass sich eine Einrichtung in Berlin um Lyrik kümmert. Damit Sprache nicht auf den Hund kommt. Und dann findet sich darin der Satz: „Zeitnah stieg auch die Literaturwissenschaftlerin Katharina Deloglu ein.“ „Zeitnah!“ Mann, Jan Scheper! Dieses Unwort aus dem Polit-Dummsprech! Darauf solltest du verzichten. Und zwar „bald“ oder besser noch: sofort! DOLF STRAUB, Berlin