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Archiv-Artikel

Sportliche Korruptionswächterin

Sylvia Schenk, 55, ist die neue Chefin von Transparency Deutschland. Die Juristin mag’s gern sportlich: Am 31. Juli 1971 war sie in Lübeck an einem Weltrekord im 4 x 800-Meter-Staffellauf beteiligt. FOTO: AP

Sylvia Schenk, 55, hat als alte Leistungssportlerin natürlich ein Trainingslager absolviert, bevor sie am Wochenende zur Vorsitzenden von Transparency Deutschland gewählt geworden ist. Als Teilnehmerin an den Olympischen Spielen 1972 im 800-Meter-Lauf hätte sie sich im Deutschen Leichtathletik-Verband als Funktionärin umtun können, aber das war ihr nicht Herausforderung genug. Also wurde sie Chefin des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), eines Verbands, dem merkwürdige Machenschaften nicht fremd sind. Das war vor sechs Jahren.

Es ist wohl in ihrer turbulenten Zeit an der Spitze des BDR nicht um klassische Formen von Korruption gegangen, also um den Missbrauch öffentlicher Macht zum privaten Nutzen, aber die Radsportpräsidentin Schenk staunte nicht schlecht über Vertuschungsversuche beim Doping, Verbandsklüngel und missgünstige Männerrunden. Frustriert verließ sie 2004 den reformresistenten Radsportverband, der jetzt von ihrem SPD-Kollegen Rudolf Scharping in alter Manier geführt wird.

Schenk wandte sich nach ihrem Ausflug in die Verbandswelt wieder ihrem Metier zu – der Juristerei; sie ließ sich als Rechtsanwältin bei der internationalen Sozietät Ashurst nieder. Ihre Karriere hatte sie als Richterin begonnen. Von 1989 bis 2001 war sie hauptamtliche Stadträtin in Frankfurt am Main mit den Ressorts Recht, Sport, Frauen und Wohnen.

„Wir treten in eine weitere Phase der Korruptionsbekämpfung ein“, hat die neue Transparenz-Chefin gesagt, „das Bewusstsein für die zerstörerische Wirkung von Korruption ist international und national gewachsen.“ Der deutschen Öffentlichkeit ist ja längst klar geworden, dass Korruption nicht nur ein Problem von Schwellenländern und Bananenrepubliken ist. Auch in vermeintlich grundsoliden deutschen Unternehmen wie Siemens ermitteln Staatsanwälte oder die US-Börsenaufsicht. Deutschland belegt im Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) nur Platz 16, liegt also nicht in der Spitzengruppe der Musterstaaten; der CPI listet Länder nach dem Grad der bei Amtsträgern und Politikern wahrgenommenen Korruption auf. Dänemark liegt hier vor Finnland und Neuseeland in Führung.

Transparency International wurde 1993 gegründet, die deutsche Dependance hat in Berlin ihr Büro, arbeitet gemeinnützig und ist politisch unabhängig. Es geht den Korruptionswächtern um Integrität und Verantwortlichkeit, selbstverständlich um Transparenz und Partizipation der Zivilgesellschaft. Es war klar, dass Sylvia Schenk mit solch hehren Prinzipien bei den Radsportfunktionären nicht weit kommt. MARKUS VÖLKER