hamburg heute : Aufschrei der alten Moral
Karl-Heinz Dellwo stellt sein Buch über seine Jahre bei der RAF und seine Haftzeit vor
Im Alter von 23 Jahren ist Karl-Heinz Dellwo mit fünf weiteren Mitgliedern der RAF „nicht unerheblich bewaffnet in die deutsche Botschaft in Stockholm eingedrungen, um die höhere Botschafterebene als Geiseln zu nehmen und 26 politische Gefangene aus den Gefängnissen der BRD zu befreien.“ Das war 1975 und so beschreibt er es heute im Prolog seines soeben erschienen Buches „Das Projektil sind wir“. Im Gespräch mit Tina Petersen und Christoph Twickel geht es in fünf Kapiteln um die linksradikale Szene im Hamburg der frühen 70er Jahre, seinen Weg in die RAF, die blutig gescheiterte Botschaftsbesetzung, die langen Jahre der Isolationshaft bis zur Spaltung des Gefangenenkollektivs in den 90er Jahren.
Der durch die Fragen von Tina Petersen und Christoph Twickel aufgelockerte Text ist angenehm unaufgeregt. Zu der bis heute umstrittenen Todesnacht von Stammheim, in der am 17. Oktober 1977 drei Gründungsmitglieder der RAF unter ungeklärten Umständen starben, hat Dellwo eine klare Position – die drei haben Selbstmord begangen: „In der Inszenierung ihres Todes ist ja vieles enthalten: Der letzte Tritt gegen die Macht, von der sie sich völlig befreit sahen. Ein Aufschrei der alten Moral – ‚das Projektil sind wir‘.“ GASTON KIRSCHE
20 Uhr, Buchhandlung im Schanzenviertel, Schulterblatt 55, Eintritt 3 Euro. Tina Petersen und Christoph Twickel moderieren die Veranstaltung