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Archiv-Artikel

Wer weiß, dass du Hure bist?

DATENSCHUTZ Die Opposition im Bundestag kritisiert die geplante Meldepflicht für Prostituierte. Grüne fürchten, dass Betroffene sich aus Angst vor dem Outing durch die Behörden in die Illegalität flüchten

„Es ist unwahrscheinlich, dass einmal in einer ‚Hurenkartei‘ gelistete Personen später keine Probleme beim Berufswechsel oder in einem Sorgerechtsstreit haben“

CORNELIA MÖHRING, LINKSFRAKTION

BERLIN taz | Die Sexarbeit ist kein Beruf wie jeder andere. Diskretion gehört zum Geschäft. Nicht nur der Freier darf sich der Anonymität erfreuen, sondern auch die Prostituierte legt gesteigerten Wert darauf – zu fest sitzt das Stigma, zu eindeutig ist „Hure“ ein Schimpfwort. Deshalb sind viele Prostituierten nicht glücklich über die Anmeldepflicht, die die Regierung nun einführen will. Auch die Opposition im Bundestag geht nun gegen diese Datensammlung vor.

„Solange Personen für die Prostitution diskriminiert und geächtet werden, solange handelt es sich um entsprechend ‚sensible Daten‘, die es zu schützen gilt“, meint Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.

Was daraus folgen könne, zeigten verschiedene Berichte von Sexarbeiterinnen, meint Möhring: So drohte ein Polizist, der Mutter und anderen Verwandten von der Nebentätigkeit zu berichten. Huren hätten Angst, mit dem Wissen um die Tätigkeit erpressbar zu sein. „Hier zeigt sich, dass es nicht möglich ist, diese Daten ausreichend zu schützen“, so Möhring. Ein Missbrauch oder eine Lücke könnten jedoch Existenzen zerstören. „Es ist unwahrscheinlich, dass einmal in einer ‚Hurenkartei‘ gelistete Personen später keine Probleme beim Berufswechsel haben oder etwa in einem Sorgerechtsstreit. Wir können nicht davon ausgehen, dass diese Frauen durch die Personalchefs und Familienrichter nicht vorverurteilt sind. Das sicherste Vorgehen, um diese Daten zu schützen, ist daher schlicht und ergreifend, sie nicht zu erheben.“

„Die Meldepflicht ist datenschutzrechtlich bedenklich“, warnt auch Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. „Außerdem ist zu befürchten, dass eine Meldepflicht Prostituierte in die Illegalität drängt, da sie sich zwischen Outing und Anonymität entscheiden müssen. Wie sehen die Pläne der Koalition hier mit Sorge.“ Die Grünen setzen auf deutlich mehr freiwillige Angebote, Beratung und Stärkung der Selbstbestimmung von Prostituierten. Die Niederlande hatten aus diesen Gründen die geplante Meldepflicht für Prostituierte wieder aus ihrem Gesetz gestrichen. Sie sahen Artikel 8 der EU-Datenschutzrichtlinie verletzt, nach der Daten über das Sexualleben nur in wenigen Ausnahmefällen erhoben werden dürfen. Eine allgemeine Meldepflicht widerspreche dieser Regelung, fand man in den Niederlanden.

Die Regierungsparteien und das Bundesfamilienministerium versprechen nun erst mal Sensibilität: „Der Datenschutz der Prostituierten ist ein hohes Gut. Wir werden das Gesetz so gestalten, dass der Datenschutz der Prostituierten in Deutschland bestmöglich gewährleistet wird“, formuliert es Marcus Weinberg, frauenpolitischer Sprecher der Union.

Und auch eine Sprecherin von Frauenministerin Manuela Schwesig meint, es werde auf eine „besonders datenschutzsensible Ausgestaltung“ der Meldepflicht geachtet. „Die Bundesregierung wird selbstverständlich die europäischen und nationalen Rechtsvorgaben zum Datenschutz einhalten.“ HEIDE OESTREICH