: Gemeinsam streiten, Compañeras
GLOBALE-FILMFEST Wie eines der größten Hotels in Buenos Aires zu einer Kooperative wurde, zeigt die Doku „Nosotros del Bauen“
Das explizit globalisierungskritische Filmfestival „globale“, das in diesem Jahr zum 9. Mal stattfindet, wird organisiert von – wie es im Programmheft heißt – „filmbegeisterten politischen Menschen, die sich nicht mit den gesellschaftlichen Widersprüchen und den oftmals brutalen Auswirkungen der neoliberalen Globalisierung abfinden wollen“. Das Geleitwort endet mit: „Macht etwas daraus!“
Ach ja, ätzt man bei derartiger Ansprache schnell, die braven Politheads mit ihren schlechten Filmen wieder! Wer Filmezeigen und -gucken als eine Art Aktivismus begreift, der bringt „den Film“ als Kunstform ganz sicher nicht weiter, der zeigt empörende oder betroffen machende Dokus und zielt so an der erweiterten politischen Dimension, die auch formal anspruchsvolles Filmschaffen annehmen kann und soll, weit vorbei.
Einerseits. Andererseits aber unterschlägt diese Sichtweise die direkte Energie, die eine politisch brisante Dokumentation entfalten kann und die so wichtig ist als Nahrung für den Glauben, dass eine andere Welt möglich ist. Ein schönes Beispiel für diese Energie ist der in diesem Jahr beim Festival gezeigte Film „Nosotros del Bauen“, eine Dokumentation über eine Kooperativengründung in Buenos Aires. Sicher: Filmisch ein nur bedingt kunstvoller Zusammenschnitt aus verwackelten, schlecht ausgeleuchteten Interviewsequenzen, zusammengetragenem Archivmaterial und recht klassischen Zwischenschnittbildern. Aber der Aufforderung „Macht etwas daraus!“, der möchte man nach diesem Film umgehend nachkommen, ja mit nachgerade revolutionärem Elan verlässt man den Kinosaal, so berückend ist die Utopie, die 154 argentinische Hotelangestellte in einem achtjährigen Kampf Realität haben werden lassen: eines der größten Hotels in Buenos Aires dem vormaligen Privatbesitzer zu entreißen und in eine selbstverwaltete Kooperative umzuwandeln.
Entlang der Interviews mit den Protagonisten – vom Zimmermädchen und Kellner über die Sicherheitschefin und den Koch bis hin zum Lobbypianisten und Buchhalter – entfaltet sich die Geschichte eines Hotels als politische Geschichte eines ganzen Landes: 1978 von der Videla-Militärdiktatur als Vorzeigehotel gebaut, in den Achtzigern als Partytempel von der Menem-Regierung genutzt, in der argentinischen Finanzkrise 2001/2002 vom zwielichtigen Eigentümer in den Bankrott getrieben, danach von der auf die Straße gesetzten Belegschaft kurzerhand besetzt und gegen viele Widerstände weitergeführt, wurde das Hotel Bauen von jeder Ära der jüngeren argentinischen Vergangenheit geprägt und hat die Menschen, die in ihm arbeiten, zu Experten seiner und ihrer eigenen Geschichte gemacht.
Bei aller unbestreitbaren Sympathie für die Compañeras und Compañeros unterschlägt der Filmemacher in der Auswahl der Interviewpassagen nicht die Härten, die das plötzliche umfassende Verantwortlichsein für ehemals einfache Angestellte bedeutet. Demokratische Entscheidungsprozesse und das Verstehen der Abhängigkeit der anderem vom eigenen Engagement, kurz Solidarität: All das muss gelernt und erstritten werden. Das freie Leben ohne Chef ist anstrengend. Bringt aber denen, die sich trauen und mit dem Privateigentum die heilige Kuh des Kapitalismus schlachten, ein enormes Maß an Identifikationspotenzial, Bestätigung und Stolz. Und eine neue Definition von „Arbeit“: Plastischer als dieser Film kann man kaum zeigen, dass Kollegen in einer besseren Welt Mitbewohner, Mitkämpfer und Freunde sein können. KIRSTEN RIESSELMANN
■ Nosotros del Bauen. R: Didier Zyserman. Frankreich 2010, 95 Min (OmeU). Montag, 7. 11., 20.45 Uhr, Moviemento. www.globale-filmfestival.org