: Der Krieg kommt mit nach Hause
PSYCHE Die Bundeswehr hat weiterhin Probleme mit traumatisierten Soldaten
■ Eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine psychische Erkrankung, die sich infolge extremer Todesangst, Ohnmacht und Entsetzen entwickelt. Wissenschaftler haben das Phänomen erstmals nach dem Vietnamkrieg untersucht. Über die Zahl der Erkrankung gibt es keine verlässlichen Zahlen, weil sich viele Soldaten die Krankheit nicht eingestehen.
VON KONRAD BÜLOW UND OLAF SCHARDT
Über den Sinn des Afghanistaneinsatzes wird viel gestritten. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung sieht ihn als gescheitert an. Sicher ist, dass die Soldaten, die aus diesem Einsatz heimkehren, keine Sieger sind. Sie leiden an den psychischen Folgen völliger Hilflosigkeit und an der Todesangst, der sie in den Gefechten ausgesetzt waren. Oft plagen sie noch jahrelang Panikattacken und Schlaflosigkeit.
Im schlimmsten Fall entwickelt sich ein Posttraumatisches Belastungssyndrom (PTBS). Dann sind die psychischen Störungen chronisch geworden und so ausgeprägt, dass sich die Erkrankten im Alltag nicht mehr zurechtfinden. Ehepartner, Kinder und Freunde der Patienten sind mit der Situation überfordert. „Dies befördert die soziale Isolation“, sagt Andreas Timmermann-Levanas, Vorsitzender des Bundes Deutscher Veteranen.
Der ehemalige Oberstleutnant überlebte mehrere Anschläge in Afghanistan. Dass Soldaten aus Einsätzen psychisch angeschlagen zurückkommen, gehört für ihn zum Krieg dazu.
Die Bundeswehr hingegen hat Probleme, auf die wachsende Zahl der Betroffenen angemessen zu reagieren. Zwar wird in allen Bundeswehrkrankenhäusern PTBS behandelt, doch die Dimension des Problems wird nicht erkannt. Dies wird aus einer im Auftrag der Bundeswehr durchgeführten Studie der TU Dresden deutlich. Sie geht von lediglich 2 Prozent Betroffenen pro Jahr aus. Timmerman-Levanas hält diese Zahl für zu niedrig. Er glaubt zu wissen, wie sie zustande gekommen ist: Die Soldaten würden nur bis zu einem Jahr nach ihrem Einsatz untersucht. Die chronische Krankheit könne jedoch auch nach drei bis vier Jahren noch ausbrechen. „Wenn wirklich so wenige betroffen sind, frage ich mich, warum die Psychiatrien der Bundeswehr so voll sind.“
Im Mai vorigen Jahres weihte der gescheiterte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ein Traumazentrum in Berlin ein. Zudem hat der Bundestag kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das die Anerkennung kriegsbedingter Traumata erleichtert. Timmermann-Levanas sieht dennoch Verbesserungsbedarf. Die Familien der Traumatisierten blieben bei einer stationären Behandlung des Patienten außen vor. Therapien, in die sie eingebunden werden, biete die Bundeswehr nicht an.
Das Problem traumatisierter Soldaten, davon ist Timmermann-Levanas überzeugt, gibt es so lange wie den Krieg selbst. „Die Forschung zur Behandlung dieser Krankheit steckt aber noch in den Kinderschuhen.“